Gestohlene Leidenschaft
Khalis ärgerlich.
Er versteckt seine Furcht, dachte Grace. „Warum willst du ihm nicht vergeben, anstatt dich dein Leben lang seinetwegen mit Wut und Schmerz herumzuquälen? Ich weiß selbst, wie sehr man darunter leiden kann.“
„Du hast ja keine Ahnung, Grace.“ Khalis stand auf und ging zum Fenster. „Ich möchte nicht mehr darüber sprechen.“
„Interessant!“, rief sie wütend. „Von mir verlangst du, mir alles von der Seele zu reden, und du selbst behältst deine dunklen Geheimnisse weiter für dich. Nennst du das fair?“
Während sie sich nach der vergangenen Nacht wie neugeboren fühlte, weil sie sich von der Last der Vergangenheit befreit hatte, plagte Khalis sich noch immer mit den Schrecken seiner eigenen Vergangenheit. Konnte sie mit so einem Mann glücklich werden?
„Wenn du nicht bereit bist, deinem Bruder zu glauben, dass er sich geändert hat, wie kann ich dann sicher sein, dass du mir glaubst, Khalis?“, fragte sie ruhig.
„Das kann man nicht vergleichen.“
„Doch.“ Sie wollte ihm so gern helfen, wusste aber nicht, ob er sich überhaupt helfen lassen würde. „Begreifst du denn nicht, dass deine eisige Wut, die sich gegen deinen Bruder richtet, auch unsere Beziehung beeinträchtigt?“
„Du kennst meine Familie nicht, Grace.“
„Dann erzähl mir, was sie dir angetan haben und warum du deinem Bruder, den du für tot gehalten hast, keine zweite Chance geben willst!“
Khalis drehte sich um und fuhr sich verzweifelt durch das feuchte Haar. „Du vergleichst Äpfel mit Birnen, Grace.“
„Das sehe ich anders. Immerhin ist dein Herz in beiden Fällen betroffen.“
„Willst du damit sagen, dass ich dich nicht lieben kann, solange ich meinem Bruder nicht vergeben habe?“ Er lachte ungläubig.
Sie zögerte. Es lag ihr fern, Khalis unter Druck zu setzen. Doch es drängte sie, ihn zum Handeln bewegen. „Seit unserer ersten Begegnung spüre ich, dass dich etwas Dunkles, Abgründiges umgibt. Und das macht mir Angst.“
„Du hast Angst vor mir? Ich dachte, du liebst mich.“
„Ja, ich liebe dich, Khalis. Darum sage ich dir auch, wie es ist.“
„Das ist grausam, Grace.“
„So ist es aber nicht gemeint. Ich möchte dich einfach nur besser verstehen. Warum weigerst du dich, mit deinem Bruder zu reden? Warum verdrängst du jeden Gedanken an deine Familie? Warum setzt du dich nicht mit der Vergangenheit auseinander?“
„Weil die Vergangenheit abgeschlossen ist.“
„Wie kann sie abgeschlossen sein, wenn sie immer noch deine Handlungen bestimmt?“
Er musterte sie lange mit hartem Blick. Am liebsten wäre sie zu ihm gelaufen und hätte ihn in die Arme genommen. „Du hast mich ermuntert, mich meinen Dämonen zu stellen. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, dich deinen zu stellen“, schlug sie leise vor.
Wenigstens schien er darüber nachzudenken. Grace wollte schon innerlich jubilieren, da sagte er ausdruckslos: „Das ist doch alles Psychogeschwätz.“
Tränen schossen ihr in die Augen. „Glaubst du das wirklich?“
„Ich glaube, du misst dem allen zu viel Bedeutung bei. Wir können auch glücklich werden, ohne dass ich meinen Bruder je wiedersehen muss.“
„Nein!“ Dieses eine Wort klang wie Donnerhall.
Schockiert sah Khalis sie an. „Was willst du damit sagen?“
Jedes Wort versetzte ihr einen Stich ins Herz. „Wenn du nicht einmal mit deinem Bruder reden kannst, den du tot geglaubt hast, dann kann ich nicht mit dir zusammen sein.“ Er zuckte zusammen, als hätte sie ihn geohrfeigt. „Das soll natürlich kein Ultimatum sein“, fügte sie beschwichtigend hinzu.
„Es hörte sich aber genauso an.“ Wütend funkelte er sie an.
„Ich sage nur, wie es ist, Khalis. Unsere Beziehung war von Anfang an von Widersprüchen beherrscht. Uns verbindet dieses magische Band, und doch hatten wir große Geheimnisse voreinander. Überwältigende Intimität und schrecklicher Schmerz. Ich möchte keine Beziehung, die so voller Widersprüche steckt. Ich wünsche mir die ganz große Liebe, die nichts und niemand je erschüttern kann. Diese Liebesbeziehung wünsche ich mir mit dir, Khalis.“
Er atmete tief durch. „Als ich dich kennenlernte, dachte ich, du wärst perfekt. Aber ich wurde enttäuscht. Trotzdem habe ich dich akzeptiert, und ich liebe dich, so wie du bist, Grace. Erwartest du wirklich von mir, perfekt zu sein?“
„Nein, Khalis.“ Tränen schimmerten in ihren Augen. „Aber ich möchte, dass du es wenigstens probierst.“
„Perfekt zu
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