Gestohlene Stunden des Glücks (Julia) (German Edition)
Sie stutzte.
Natürlich! Er war ins Restaurant gekommen, um seine Drohung wahrzumachen und ihrem Großvater alles zu sagen, falls sie es noch nicht getan hatte. Ihr wurde schlecht bei der Vorstellung, dass ihr diese schwere Pflicht noch bevorstand.
„Er scheint deine Neuigkeit nicht gut aufgenommen zu haben“, meinte Santo trocken. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass er den Herzanfall ihres Großvaters für die Folge ihres Geständnisses hielt.
„Ich habe noch gar nicht mit ihm gesprochen“, sagte sie kleinlaut. „Ich wollte es gerade tun, da fand ich ihn in der Küche und geriet in Panik …“ Sie schämte sich, weil sie so den Kopf verloren hatte.
„Es ist immer etwas anderes, wenn man persönlich betroffen ist.“ Es klang fast so, als wollte er sie trösten.
„Wo hatte Luigi das Gerät so schnell her?“
„Den Defibrillator, meinst du? Wir halten welche in all unseren Hotels bereit. Ihr Einsatz kann Leben retten.“ Seine Stimme klang gepresst.
„Santo …“
„Lass uns nachsehen, ob wir jemanden finden, der uns Auskunft über deinen Großvater geben kann“, sagte er schnell, die Hand schon am Türgriff. „Luca lassen wir schlafen, Luigi passt auf ihn auf.“
Er stieg aus und wechselte ein paar Worte mit seinem Sicherheitschef, der ihnen in Santos Lamborghini gefolgt war. Gleich darauf zwängte Luigi seine massige Gestalt auf den Rücksitz neben Luca.
„Keine Sorge, Ms Baracchi. Wenn der Kleine einen Mucks von sich gibt, melde ich mich sofort bei Ihnen. Kümmern Sie sich in Ruhe um Ihren Großvater.“
So blieb ihr nichts anderes übrig, als sich von Santo zur Notaufnahme begleiten zu lassen. Sie merkte, wie er beim Betreten des Gebäudes die Schultern straffte.
Der viel zu frühe Tod seines Vaters war ein schwerer Schlag für die Ferraras gewesen. Santo war damals noch zur Schule gegangen, sein älterer Bruder Cristiano studierte in den USA. Fia hatte Bilder von der Beerdigung in der Zeitung gesehen. Sie war nicht dabei gewesen, denn eine Baracchi wäre dort nicht willkommen gewesen, aber sie hatte heimlich mit Santo mitgelitten. Und es furchtbar unfair gefunden, dass ein so liebevoller Familienvater so früh hatte sterben müssen.
Nun kehrte Santo an den Ort seiner unglücklichen Erinnerungen zurück.
Die Anwesenheit eines Ferraras genügte, um das Krankenhauspersonal in helle Aufregung zu versetzen. Der Herzspezialist und sein Team standen bereit, und Fia hatte den Eindruck, dass keine Kosten und Mühen gescheut wurden, um ihren Großvater bestmöglich zu versorgen.
Ihr Bruder hatte die angesehenen Ferrara-Brüder immer um ihre Privilegien beneidet. Er hatte nicht einsehen wollen, dass man Respekt nicht einfach einfordern konnte, sondern ihn sich verdienen musste.
Sie dagegen war einfach nur dankbar, dass ihr Großvater hier in den besten Händen war.
Eine kurze Unterredung mit dem Kardiologen bestätigte, was sie bereits vermutet hatte: ohne Santos beherztes Eingreifen hätte ihr Großvater nicht überlebt. Obwohl es ihr unangenehm war, in seiner Schuld zu stehen, war sie doch stolz auf den Vater ihres Sohnes.
Die sterile Krankenhausatmosphäre sorgte dafür, dass sie sich mit jeder Minute, die sie im Warteraum für Angehörige verbrachte, noch ängstlicher und verlorener fühlte. Santo schien es ähnlich zu gehen. Er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und starrte schweigend hinaus auf die nächtliche Stadt.
Sie hatte erwartet, dass er sich verabschieden und gehen würde. Als er es nicht tat, wurde sie misstrauisch. „Du brauchst nicht hierzubleiben. Wenn mein Großvater aufwacht, wird er eh nicht in der Lage sein, dir zuzuhören.“
Santo fuhr empört zu ihr herum. „Glaubst du, ich bin hier, um ihn mit meinen Neuigkeiten zu überfallen? Hältst du mich für einen Unmenschen?“
„Ich dachte … Warum gehst du dann nicht?“
Er musterte sie grimmig. „Hast du Angehörige, die dir zur Seite stehen?“
Er wusste genau, dass sie niemanden hatte. Ihr einziger Angehöriger außer Luca kämpfte gerade auf der Intensivstation um sein Leben.
„Ich brauche keine Hilfe.“
„Dein Großvater, bei dem du aufgewachsen bist, ringt nebenan mit dem Tod, und du brauchst keine Hilfe? Typisch Baracchi. Zähne zusammen und durch. Oder sollte ich sagen, typisch Fia?“ Er rieb sich ärgerlich den Nacken.
„Damit ist ab sofort Schluss. Ich lasse dich nicht allein. Von nun an werde ich bei allen wichtigen Ereignissen an deiner Seite sein, bei Geburten, Todesfällen,
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