Gestohlene Stunden des Glücks (Julia) (German Edition)
Zimmer.
„Wohnst du allein hier?“
„Glaubst du, ich habe eine Frau unter dem Sofa versteckt? Was willst du essen?“
„Nichts, danke.“ Sie drehte den Knauf der Balkontür, die sich mühelos öffnen ließ. „Schließt du die nicht ab?“
„Nein, warum? Sorgst du dich um meine Sicherheit?“
„Ich sorge mich um Lucas Sicherheit.“ Sie trat auf den Balkon und beugte sich über das schmiedeeiserne Geländer. „Das ist supergefährlich für einen Zweijährigen. Wir müssen die Tür abschließen und den Schlüssel abziehen.“ Sie ging an ihm vorbei, und er fing den Duft ihres Haares auf, diesen zarten Blumenduft, der sie immer umwehte …
Reiß dich zusammen, befahl er sich und folgte ihr in den großen, tiefer gelegenen Wohnraum. „Hast du Angst um meine weißen Couchbezüge?“, fragte er, ihren skeptischen Blick bemerkend. „Keine Sorge, meine Nichte hat schon alles Mögliche darübergekippt. Menschen sind wichtiger als Dinge.“
„Ich denke weniger an deine Couchbezüge als an Luca. Diese Stufen sind eine gemeine Stolperfalle.“
„Er kann doch prima laufen. Wir bringen ihm bei, vorsichtig zu sein.“
„Du kennst Luca nicht. Er wird sich den Kopf an deinen kostbaren italienischen Fliesen aufschlagen.“
Santo hob resigniert die Hände. „Okay, meine Wohnung ist nicht kindgerecht. Ich kümmere mich darum, in Ordnung?“
„Wie denn? Willst du umbauen?“
„Wenn es sein muss, ja. Bis dahin sorge ich dafür, dass ihm nichts passiert.“ Er konnte seine Gereiztheit kaum noch verbergen. Fia hatte gerade ein paar wirklich schlimme Stunden hinter sich, und doch wirkte sie gespenstisch ruhig und gefasst.
Aus dem kleinen Mädchen, das sich geweigert hatte, vor anderen eine Träne zu vergießen, war eine Frau geworden, die ihre Emotionen strikt unter Kontrolle hielt. Nur ihre schmalen, verkrampften Schultern verrieten, wie sehr sie litt.
„Bist du immer so pingelig?“, fragte er. „Ein Wunder, dass Luca noch nicht hysterisch ist.“
„Erst wirfst du mir vor, ich würde mich nicht um ihn kümmern, und dann bin ich plötzlich überfürsorglich. Was denn nun?“ Vorsichtig stellte sie eine Glasvase auf ein Regal. „Du weißt eben nicht, wie der Alltag mit einem lebhaften Kleinkind aussieht.“
„Und wessen Schuld ist das?“ Wütend verzog er sich in die Küche, damit ihm nichts herausrutschte, was er später bereuen würde.
„Entschuldige bitte“, kam es leise von der Tür her.
„Was soll ich entschuldigen?“ Er riss eine Schranktür auf. „Dass du mir meinen Sohn vorenthalten hast oder dass du meine Qualitäten als Vater anzweifelst?“
„Das tue ich doch gar nicht. Ich wollte nur auf mögliche Gefahren hinweisen.“ Wie sie da im Türrahmen stand, das blasse Gesicht von einer Woge rotbrauner Locken umrahmt, sah sie unglaublich zart und verführerisch aus.
Er wollte nichts als Zorn auf sie empfinden, aber es gelang ihm nicht. Wie damals in jener Nacht fühlte er sich auch jetzt unwiderstehlich zu ihr hingezogen.
„Ich werde alles Notwendige veranlassen“, sagte er knapp. „Lass uns essen.“
„Nein danke, ich gehe schlafen. Ich lege mich zu Luca ins Bett, dann hat er keine Angst, wenn er aufwacht.“
Santo knallte einen Laib Brot auf den Tisch. „Wer hat hier Angst, er oder du? Glaubst du, wenn du nicht bei ihm schläfst, musst du bei mir schlafen?“
Sie musterte ihn stumm. Ihre großen grünen Augen verrieten, was ihr Mund nicht aussprach. Genau wie damals im Bootsschuppen, als sie ihn traurig und verängstigt, aber zugleich trotzig angesehen hatte. Geh und verrat mich , hatte ihr Blick gesagt. Als ob mir das etwas ausmachen würde!
Er hatte sie nicht verraten.
Und er hatte gewusst, dass es ihr sehr wohl etwas ausgemacht hätte.
Sie ließ nichts nach außen dringen, aber sie war eine empfindsame Frau. Er wusste nicht viel über sie, kannte weder ihre Lieblingsfarbe noch ihr Lieblingsbuch, doch er hegte keinen Zweifel daran, dass sie zu tiefen Gefühlen fähig war. Unter der kühlen Oberfläche loderte ein feuriges Temperament. Er hatte eine unvergessliche Kostprobe davon erhalten. Lebhaft erinnerte er sich daran, wie es sich anfühlte, ihre zarte Haut zu streicheln, die Lippen über ihren nackten Körper wandern zu lassen, sie zu küssen, zu schmecken, zu erobern …
Heftiges Verlangen durchzuckte ihn.
Er zwang sich, den Blick von ihren verlockenden Rundungen abzuwenden und ihr ins Gesicht zu sehen. Ihre Augen glänzten, ihre Wangen waren rosig
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