Gestohlene Wahrheit
hören?
Bei diesem Gedanken hätte er am liebsten jemanden erschossen. Der gesichtslose Arsch, für den sie all diese Dessous gekauft hatte, wäre ein guter Anfang. Danach konnte er ja mit seinen Freunden weitermachen.
Großer Gott, in ihrer Nähe wurde er richtig blutdürstig.
»Welches Zeug?«
Er senkte das Kinn, bis er sie tatsächlich unter den Augenbrauen hinweg finster anstarrte. Sie wusste doch genau, was er meinte.
Ihre Lippen zuckten, und ihm fiel wieder ein, wie weich sie waren, wie süß sie schmeckte …
Nein.
Er eleminierte diese Gedanken so effektiv, wie es Grigg mit all diesen orangefarbenen Kakerlaken getan hatte, von denen es in ihrer Behausung in Kolumbien nur so gewimmelt hatte.
»Willst du mir tatsächlich sagen, dass jemand, der im Kindergarten arbeitet, keinen Bedarf an heißen Dessous hat?«, fragte sie und warf Ozzie dabei einen vorsichtigen Blick zu. Der junge Mann spielte momentan jedoch äußerst effektiv den Taubstummen.
Nate verschränkte die Arme, wartete und beobachtete sie. Er musste ihr einfach Zeit geben. Schon bald würde sie das Schweigen nicht mehr ertragen können und jeden Gedanken, der ihr durch den hübschen Kopf schoss, mit ihrem wunderbaren, pfirsichfarbenen Mund aussprechen. Einem Mund, der …
Verdammt noch mal, seine Fantasie gab einfach keine Ruhe. Das war unter normalen Umständen schon ein Problem, aber jetzt, wo sie nur eine Armlänge von ihm entfernt stand, artete es in ausgemachte Besessenheit aus.
Er hätte beinahe gegrinst, als sie trotzig auf ihn losging.
»Pass mal auf, ich verbringe den ganzen Tag mit Fünfjährigen. Ich singe dämliche Lieder. Ich male mit Buntstiften und bastele Bauernhoftiere aus Lehm und allerhand andere Dinge. Ich spiele Kinderspiele. Ich wische Hintern ab und putze Nasen. Ich trage T-Shirts, auf die das ABC gestickt ist, und Röcke, die ein Dutzend schmutzige kleine Hände am Tag abkönnen. Aus diesem Grund«, sie machte ein Gesicht, als solle er es ja nicht wagen, darauf noch einen Kommentar abzugeben, »ist es sehr hilfreich zu wissen, dass sich unter all dem noch das Herz und der Körper einer Frau befinden.«
»Hmmm.« Mehr brachte er nicht heraus, da ihn das herausfordernde Glänzen in ihren Augen beinahe um den Verstand brachte.
»Hmmm?«, wiederholte sie ungläubig. Dann schob sie herausfordernd das Kinn vor und schürzte die Lippen. »Okay, pass mal auf, Kumpel. Angesichts der Menge an elektronischen Geräten, die ich an mir hatte, als ich hier reingekommen bin, ist es ziemlich offensichtlich, dass wir die Gegenwart des anderen erst mal ertragen müssen, zumindest für einige Tage. Und wenn wir miteinander auskommen wollen, dann solltest du lernen, dich verständlich auszudrücken. Großer Gott, die Kinder im Kindergarten haben ja einen größeren Wortschatz als du.«
»Kohäsion.«
»Was?« Sie blinzelte und sah ihn misstrauisch an.
»Juxtaposition.«
»Was?«
»Plausibilität.«
»Was in aller Welt tust du?«, wollte sie wissen.
Er zuckte mit den Achseln und genoss es, das Wechselspiel der Gefühle auf ihrem Gesicht zu beobachten. »Ich beweise dir nur, dass ich mehr Wörter kenne als ein Fünfjähriger.«
Ali blinzelte.
Hatte Nate Weller gerade einen Witz gemacht?
Nein. Das konnte nicht sein. Das würde ja bedeuten, dass er Sinn für Humor hätte, dabei war sie felsenfest davon überzeugt, dass ihm dieser völlig abging.
»Warum
benutzt
du diese Worte dann nie?«, erkundigte sie sich, stemmte die Hände in die Hüften, sah ihn an und versuchte, seine breiten Schultern zu ignorieren, die sich deutlich unter seinem T-Shirt abzeichneten. »Manchmal ist eine Unterhaltung mit dir nicht viel anders, als würde man mit einem Baum reden.« Einem sehr großen, gut gebauten,
männlichen
Baum.
Er verzog das Gesicht, als läge die Antwort auf der Hand. »Je weniger ich sage, desto mehr redest du.«
»Mann«, sie verdrehte die Augen, weil dieser Mann offenbar gar nichts begriff. »Das ist doch das Problem. Du igelst dich ein, und
puff!
«, sie schnippte mit den Fingern, »plappere ich umso mehr. Es ist fast so, als könnte ich gar nicht anders, als in einer Tour zu reden.«
Nate grinste, und Alis Herz setzte einen Schlag aus.
Dieser Kerl sah einfach umwerfend gut aus. Sein Lächeln veränderte sein Gesicht so stark, als würde die Sonne aufgehen.
Gut, dass er das nicht allzu oft tat. Dieses Lächeln war eine tödliche Waffe, die für das anfällige Herz einer Frau weitaus gefährlicher war als das Gewehr, mit
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