Gestohlene Wahrheit
Arschlochs. Was hatte er davon, einen ehemaligen Agenten anzuheuern, wenn der es nicht mal draufhatte, eine junge Frau zu entführen? Offenbar war die Ausbildung bei der CIA heutzutage lange nicht mehr so gut wie früher, wenn dabei Agenten dieses Kalibers herauskamen.
»Entschuldigen Sie, dass ich so offen bin, Sir, aber Sie bezahlen mir nicht genug, dass ich bei Black Knights Inc. einbreche. Von außen mag der Laden nur wie eine gut gesicherte Hightech-Werkstatt für handgefertigte Motorräder aussehen, aber ich habe mich hier mal umgesehen, und das ist eine gottverdammte Festung. Wenn die hier nichts weiter tun, als Motorräder zu bauen, dann fresse ich einen Besen.«
Aldus’ Frau steckte den Kopf in sein Büro. Ihr eisblondes Haar war perfekt frisiert, und die Diamanten, die er ihr zum zehnten Hochzeitstag geschenkt hatte – er musste schließlich auch ihr gegenüber den Schein wahren –, glänzten an ihren Ohren.
Gott! Was war denn jetzt schon wieder?
»Liebling«, säuselte sie mit ihrem nasalen vornehmen Boston-Akzent, der sich für ihn so anhörte, als würde man mit einem Fingernagel über eine Tafel kratzen, »beeil dich, sonst kommen wir noch zu spät.«
»Nur noch eine Minute, Schatz.« Er zwang sich zu einem Lächeln, obwohl er ihr am liebsten seinen bleiernen Briefbeschwerer in ihr hübsches, langweiliges Gesicht geworfen hätte. Als er sich vorstellte, wie diese zarten Knochen brachen und das Blut hervorquoll, wurde sein gekünsteltes Lächeln zu einem aufrichtigen.
Sie nickte hoheitsvoll und ging wieder hinaus. Er lauschte, bis ihre Schritte in den Prada-Pumps auf dem gefliesten Flur verhallt waren, bevor er ins Telefon zischte: »Es ist mir scheißegal, wie Sie das anstellen. Finden Sie einen Weg, ihrer habhaft zu werden. Und zwar sofort. Noch heute Nacht. Ich will diese verschwundenen Dateien morgen früh auf meinem Schreibtisch liegen haben.«
Er drückte so heftig auf die Auflegetaste, dass ihm der erst an diesem Vormittag manikürte Fingernagel abbrach.
Scheiße!
Was mache ich hier?
Zum zweiten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden schoss Ali dieser Gedanke durch den Kopf. Nur, dass das »Hier« jetzt das
Red Delilah’s
war.
Das war zwar nicht gerade ein typischer Name für eine Bikerbar, aber das war auch die einzige Abweichung von dem Bild, das man von einer Bikerbar im Kopf hatte. Auf dem Boden lagen Erdnüsse und aus den Lautsprechern hallte Metallica, aber trotzdem war im Hintergrund noch das laute Klicken der Billardkugeln zu hören, und in der Luft hing der abgestandene Geruch nach verschüttetem Bier und altem Zigarettenrauch.
Ja, das hier war auf jeden Fall eine typische Bikerbar. Eine, die zufälligerweise von dem einschüchterndsten, klischeehaftesten Pin-up-Girl der Fünfzigerjahre geführt wurde, das man sich nur vorstellen konnte.
Als ob ihr Tag nicht schon schlimm genug gewesen war.
Aber Moment mal. Er war wirklich noch viel schlimmer geworden. Schließlich war sie hier. An diesem schrecklichen Ort, in diesen schrecklichen Klamotten, und sie aß gerade den letzten Rest dieses … Nun ja, das Essen war eigentlich alles andere als schrecklich gewesen.
Nachdem sie aus ihrem Nickerchen erwacht war, wenn man acht Stunden nahezu komatösen Schlafs nach einer regelrechten Heulorgie denn überhaupt so nennen konnte, hatte sie einen Bärenhunger gehabt.
Becky entdeckte sie, als sie gerade die Treppe hinunterkam und sich den Schlaf aus den Augen rieb. Sie hatte direkt und ohne Umschweife von ihr verlangt: »Zieh dich um. Wir gehen alle rüber ins Delilah’s. Dann können wir nebenan Hotdogs bestellen.«
Äh, was? »Hotdogs?«
»Ja, klar.« Becky sah sie mit verschlagenem Grinsen an. »Du hast noch nie einen traditionellen Hotdog nach Chicago-Art gegessen, oder?«
»Bäh. Unbekanntes verarbeitetes Fleisch. Nein, danke«, erwiderte Ali, obwohl ihr Magen so laut knurrte, dass es jedermann hören konnte. Doch auf diesen Genuss wollte sie lieber verzichten.
»Oh!« Becky griff sich an die Brust, als wäre sie angeschossen worden. »Pass auf, was du sagst!« Sie legte Ali freundschaftlich einen Arm um die Schulter und führte sie wieder nach oben. »Ein traditioneller Hotdog nach Chicago-Art wird mit einem Frankfurter Würstchen aus reinem Rindfleisch und allen möglichen frischen Zutaten gemacht. Wir nennen ihn einen Hotdog, der einmal durch den Garten geschleift wurde. Du wirst ihn lieben, das verspreche ich dir.«
Ali bezweifelte das zwar, musste sich aber
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