Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
die ihm zum Vorteil gereichen würden.
Aber er hatte Pech. Erik musste das Schiedsgericht schließen, da Sören ins Zimmer trat.
»Es geht gleich los! In fünf Minuten! Die Pressekonferenz ist schon angekündigt worden.«
Erik gab sich noch eine Spur heiterer: »Willst du deinen Vater auf dem Bildschirm sehen, Felix? Dann schalte den Fernseher ein.«
»Und was ist mit der Nonna?«, kam es zurück. »Die hat schon überall damit angegeben, dass du im Fernsehen bist.«
»Nimm die Sendung auf Video auf«, antwortete Erik, »damit die Nonna sie heute Abend sehen kann.«
Er legte auf und sah Sören in die fragenden Augen. »Es scheint so, als wäre meine Schwiegermutter verschwunden.«
Sören lachte ungläubig. »Sie meinen, sie ist vom Fußballplatz entführt worden?«
Erik zuckte die Achseln und stand auf. »Wenn sie nach der Pressekonferenz nicht aufgetaucht ist, werde ich sie suchen müssen.«
Enno Mierendorf und Rudi Engdahl hatten es sich schon im Aufenthaltsraum vor dem Fernseher bequem gemacht. Dass das Notruftelefon im Revierzimmer gerade in dem Augenblick ging, in dem die Pressekonferenz anmoderiert, die Teilnehmer vorgestellt und die beiden Mordfälle skizziert wurden, gefiel keinem der beiden.
Enno Mierendorf sah seinen Kollegen an. »Du bist dran.«
Rudi Engdahl erhob sich stöhnend, kam aber schnell wieder zurück. »Schlägerei in Braderup«, rief er. »Im Haus dieses Schriftstellers.«
Erik schreckte auf. »Gero Fürst?«
»Genau! So heißt er.« Engdahl sah Enno Mierendorf ermunternd an. »Wir müssen los.«
Erik stand auf und drückte Mierendorf auf seinen Stuhl zurück. »Ich werde mitfahren.« Er strich sich den Schnauzer glatt, um seine zitternde Unterlippe zu verbergen. »Meine Tochter ist bei Gero Fürst. Wir nehmen den Streifenwagen mit Blaulicht.« Schon war er aus der Tür. »Wer hat die Schlägerei gemeldet?«, rief er über die Schulter zurück.
»Der Anrufer hat seinen Namen nicht genannt«, gab Engdahl zurück.
Mamma Carlotta und Carolin standen vor dem geöffneten Fenster und starrten fassungslos ins Arbeitszimmer von Gero Fürst. Der Schriftsteller lag am Boden, den rechten Arm ausgestreckt, als habe er noch versucht, sich irgendwo festzuhalten und den Sturz zu verhindern. Die Hand war zur Faust geballt, der Zorn hatte ihn augenscheinlich erst mit dem Bewusstsein verlassen.
»Ist er tot?«, fragte Mamma Carlotta und wurde sich erst in dem Augenblick, in dem sie die schrecklichen Worte aussprach, ihrer Tragweite bewusst. »Oh Gott! Er ist tot! Morto!«
Carolin begann zu weinen, drängte sich an ihre Großmutter, ließ sich von ihr umschlingen und trösten.
Tove blieb wesentlich gelassener. Er beugte sich über Gero Fürst und schüttelte den Kopf. »Nein, er lebt. Er ist mit dem Hinterkopf auf das Beistelltischchen geknallt, aber das bringt ihn nicht um. Mehr als eine Gehirnerschütterung wird er nicht haben.«
Mamma Carlotta atmete auf und schob Carolin sanft von sich. »Ganz ruhig, Piccola! Wir werden Hilfe holen. Vielleicht darf Gero Fürst seinen Roman im Gefängnis zu Ende schreiben. Womöglich wird er gerade dadurch ein Bestseller.«
Diese Aussicht vermochte Carolin nicht zu beruhigen. »Wie konnten Sie das tun?«, fuhr sie Tove an. »Mein Vater hat recht. Sie sind ein brutaler Kerl! Ein Krimineller!«
Tove richtete sich auf und rieb seine Fäuste an den Oberschenkeln, als wollte er das Blut seines Opfers loswerden. Seine Hosenbeine sahen aus, als hätte es schon viele Opfer und viel Blut gegeben. »Nun mal langsam, junge Dame! Der Kerl hat mich angegriffen und nicht umgekehrt. Und er ist hier der Mörder, nicht ich!« Ärgerlich sah er Carolin an. »Der hat noch mehr verdient als die Beule, mit der er gleich aufwachen wird. Und er wird auch mehr bekommen. Lebenslänglich, schätze ich.«
Über Carolin brach plötzlich alles zusammen, was zum Gebäude ihrer Gewissheiten gehört hatte. Das Gute im Menschen, das Schlechte, das im Guten keinen Platz hatte, die klugen Gedanken, die nur von einem untadeligen Geist in Worte gekleidet werden konnten, die Intelligenz, die keinen Raum ließ für Heimtücke. Carlotta sah Tove streng an, der immer noch mit gerunzelter Stirn auf sein Opfer starrte, als wollte er Gero Fürst erneut zu Boden strecken, wenn er den Versuch machen sollte, sich zu erheben. »Wir müssen Hilfe holen.«
»Glauben Sie, der will das?«, knurrte Tove. »Vielleicht sollten wir ihn hier verrecken lassen, dann braucht er wenigstens nicht in den
Weitere Kostenlose Bücher