Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Bücher. Am besten, ich schleiche zurück und zeige ihm, wo er suchen muss.«
»Auf keinen Fall!« Mamma Carlotta hielt ihre Enkelin fest, ehe sie sich erheben konnte. »Du bleibst hier! Tove wird dein Handy schon finden.«
Sie zuckten beide zusammen, als sie Gero Fürst plötzlich schreien hörten: »Ich hasse dich! Ich hasse alle Frauen, die so etwas tun! Wisst ihr eigentlich, was ihr anrichtet?«
Carolin sah ihre Großmutter ängstlich an. »Was meint er damit, Nonna?«
Mamma Carlotta antwortete zögernd: »Dass er am liebsten alle Frauen, die ihre Babys nach der Geburt weggeben, umbringen würde. Jetzt wird mir klar, warum auch Donata sterben musste. Er hat anscheinend herausbekommen, dass sie dasselbe getan hat wie seine leibliche Mutter. Valerie kann froh sein, dass sie ihm nicht auch zum Opfer gefallen ist.«
Gero Fürsts Stimme entfernte sich, und Valeries schnelle Schritte waren zu hören. Kurz darauf heulte der Motor ihres Wagens auf, die Haustür fiel ins Schloss.
Mamma Carlotta rang die Hände. »Warum kommt Tove nicht zurück? Er muss da raus!«
Wieder war das Geräusch einer Tür zu hören, dann eine Stimme: »Carolin? Wo bist du?«
Ein undefinierbares Gepolter war die Antwort.
»Wer sind Sie?«, schrie Gero Fürst. »Was machen Sie hier?«
Carolin und Mamma Carlotta klammerten sich aneinander, Carolin kniff die Augen zusammen und legte ihre Stirn an die Schulter ihrer Großmutter. Die starrte das Fenster an, hinter dem offenbar ein Kampf tobte. Dumpfes Poltern drang heraus, dann ein unterdrückter Schrei, ein langgezogenes Stöhnen. Ein Fensterflügel erhielt einen Stoß, schlug klirrend zu, einmal, zweimal. Heftiges Keuchen war zu hören, zwei ineinander verkeilte Gestalten taumelten am Fenster vorbei. Und dann ein markerschütternder Schrei! Ein Stuhl fiel um, ein schwerer Gegenstand wurde zu Boden gerissen, etwas Hölzernes fiel auf die Erde, löste sich in mehrere Teile auf – dann wieder ein Schrei, kurz bevor jemand stürzte. Danach trat Stille ein.
Erik griff zum Telefon und wählte. Es dauerte lange, bis abgehoben wurde, so lange, dass er schon leise die durchdringende Stimme seiner Schwiegermutter verwünschte, die jedes Telefonklingeln übertönte.
»Felix Wolf!«
Erik hatte gehofft, Carolin oder Mamma Carlotta würden sein Gespräch annehmen. Dann wäre Zeit gewesen, sich über den Stand der Dinge zu erkundigen, über die der Vater eines hoffnungsvollen Fußballtalents Bescheid wissen sollte. So aber konnte er nur seine ganze Fröhlichkeit zusammennehmen und so tun, als wäre das Leben ein verpasstes Fußballspiel. Er erkundigte sich derart interessiert nach dem Sieger des Turniers, dass Felix gleich sein schlechtes Gewissen durchschauen musste. »Unentschieden«, brummte er zurück.
»Kein Sieg für die Sylter Lümmel? Die waren doch eindeutig die bessere Mannschaft!«
»Ihr habt mir nicht die Daumen gedrückt, so sieht’s aus.«
Das wies Erik weit von sich. Zwar habe er nicht im Angesicht der sportlichen Leistungen seines Sohnes die Daumen drücken können, aber die Nonna habe sicherlich alles getan, was diesbezüglich nötig war. »Sie hat dir doch erklärt, warum ich weg musste, oder? Es war wirklich sehr wichtig, Felix.«
»Die Nonna war nicht mehr da, als das Spiel zu Ende war«, gab Felix zurück. »Niemand hat auf mich gewartet. Zum Glück hat Bens Vater mich mit dem Auto nach Wenningstedt mitgenommen, sonst stünde ich jetzt noch in Westerland herum.«
Erik konnte es nicht glauben. »Die Nonna war weg, als das Spiel zu Ende war?«
»Ja, und sie ist bis jetzt nicht nach Hause gekommen. Ich hatte keinen Schlüssel dabei. Ich musste über den Balkon einsteigen.« Felix’ Stimme klang von Minute zu Minute weinerlicher. »Niemand interessiert sich für mich. Ob ich gewinne oder nicht, das ist allen egal. Ob ich was zu essen kriege, auch. Dabei ist Sonntag.«
Erik war nun voller Sorge und brachte prompt die ersten Vorschläge vor, mit denen Felix entschädigt werden sollte. »Die Mordfälle sind geklärt, mein Junge, demnächst werde ich mehr Zeit haben. Noch ein paar Vernehmungen, die Protokolle und das eine oder andere Gespräch mit der Staatsanwältin, der ich eine Menge erklären muss – aber dann kann ich mir ein paar Tage freinehmen. Wir könnten ins Kino gehen und in den Sportshop in Westerland, der die tollen Fußballklamotten hat.«
Felix ließ sich Zeit mit der Absolution. »Mal gucken«, meint er und schien sich auf längere Verhandlungen einzustellen,
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