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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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einer durchgehenden Schneeschicht überzogen, die selbst an einem so sonnigen Tag wie diesem nicht taute. Der Schnee reflektierte die Strahlen der Zwillingssonne und blendete die Männer wie mit einem Spiegel, was jeden Schritt zu einer Lotterie werden ließ. Unter der Schneedecke gab es nur nackten Fels. Nichts lebte hier oben, auch wenn gelegentlich ein Drache über die Berggipfel glitt.
    Ragnar vermutete, dass sich seine Begleiter genauso unwohl wie er selbst fühlten. Er hatte schlecht geschlafen und die Männer die ganze Nacht lang husten gehört. Alle paar Minuten stieg ihm wieder der Geschmack des Lammfleischs in den Mund, das er zum Frühstück gegessen hatte und das ihm nun wie ein Stein schwer im Magen lag. Sein Schädel fühlte sich an, als hätte ihn Thor persönlich mit seinem göttlichen Hammer bearbeitet, und allein schon die Anstrengung, sich im Sattel zu halten, ließ sein Herz rasen.
    Bergsteiger bezeichneten diesen Bereich – 7500 Meter über dem Niveau, das Isheimurs Meeresspiegel gewesen wäre, hätte es auf dem Planeten Meere gegeben –, wo die Luft in etwa genauso dünn war wie in der gleichen Höhe auf Terra, gemeinhin als die Todeszone. Sollte es ihnen bis zum Anbruch der Nacht gelingen, ohne weitere Verzö gerungen in eine tiefere Zone mit einem höheren Sauerstoffgehalt zu gelangen, würden die Symptome der Höhenkrankheit in ein bis zwei Tagen wieder nachlassen. Schafften sie es nicht, waren sie tot. So einfach war das.
    Nachdem sie den höchsten Pass überquert hatten, schlitterten die Pferde einen sich in engen Serpentinen schlängelnden Pfad hinab, der immer schmaler und steiler wurde, bis er in eine Schlucht mündete. Die Reiter drängten ihre Tiere auf dem letzten offenen Felsstreifen zusammen, bevor sie abstiegen.
    Ragnar hasste dieses Gefühl von Schwäche. Sein ganzes Leben lang hatte er gekämpft, die Hälfte davon gegen die Schwäche selbst. Er ließ bereitwillig zu, dass ihn die Wut packte und ihm zusätzliche Kraft verlieh. »Jeder Mann schlingt sich ein Seil um die Hüften!«, rief er. »Falls einer ausrutschen und in die Tiefe stürzen sollte, können die anderen ihn festhalten.«
    Es entspann sich eine hitzige Diskussion darüber, ob sie das Seil auch an den Sätteln befestigten sollten. Ragnar runzelte die Stirn und verwarf den Vorschlag nach kurzem Zögern. Selbst dieses kurze Nachdenken bereitete ihm schon Kopfschmerzen. »Jedes Pferd … wiegt mehr … als zwei … Männer zusammen«, keuchte er. »Ein abstürzendes Pferd … würde uns alle … mit in die … Tiefe reißen.«
    Nachdem sie sich angeleint hatten, führte er den klei nen Zug durch die Schlucht und weiter den schmalen Pfad entlang, neben dem die Felswand bestimmt 600 Meter tief senkrecht abfiel. Der Wind zupfte mit eisigen Fingern an ihnen. Das Rauschen des Wildbaches in der Tiefe klang über diese Entfernung hinweg nicht lauter als das Säuseln einer leichten Brise in den Flügeln der Windmühlen von Skorradalur.
    Es kostete Ragnar viel Kraft, mit jedem rasselnden Atemzug genug Sauerstoff in seine Lungen zu pumpen. Aber da selbst der kleinste Fehltritt dazu führen konnte, dass einer von ihnen über die steile Felskante stürzte, waren sie gezwungen, sich im Schneckentempo zu bewegen.
    Mehrmals konnte Ragnar hoch über ihm ein schabendes Geräusch hören. Es widerstrebte ihm zwar aufzublicken, denn wenn er auch nur einen Moment lang nicht aufpasste, bestand die Gefahr, dass er von seinem Pferd angerempelt wurde, doch die Alternative hieß, nicht zu wissen, ob dort oben vielleicht ein Drache herumkroch, und das hätte noch schlimmer sein können. Aber wie oft er auch in die Höhe spähte, er entdeckte nie die Quelle der beunruhigenden Geräusche.
    Ein Drache würde sie zwar nicht angreifen, doch die Halbwüchsigen waren neugierige Biester und konnten leicht eine Lawine auslösen. Dass sich kein Drache dort oben herumtrieb, ließ auf unstabiles Geröll über ihren Köpfen schließen, das sich jeden Moment von den steilen Hängen lösen konnte.
    Trotz allem waren sie fast schon in Sicherheit, als die Katastrophe doch noch zuschlug.
    Die nächsten Sekunden wurden zu den längsten in Karls bisherigem Leben.
    Der Troll sank auf seine Knie. Auch wenn seine Augen fast hinter dem Fell verschwanden, verriet seine steife Haltung, dass er den Blick nicht einen Sekundenbruchteil von Karl abwandte.
    Er ergriff das Schwert und hob es vom Boden auf.
    Karl hielt die Luft an.
    Der Troll fasste das Schwert mit einer Hand

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