Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

an der Klinge, drehte es um und hielt es Karl mit dem Griff voraus entgegen. Erst nachdem er es wieder an sich genommen hatte, wagte es Karl, den Atem auszustoßen.
    »Freund«, sagte der Troll. Ein Teil der zweiten Silbe des kasachischen Worts überschritt fast die Grenze zum Ultraschallbereich, aber die Bedeutung war eindeutig.
    Die Sprache hat sich im Lauf der Zeit verändert, erläuterte Loki. Die Umstände machen es sinnvoll, den größeren Frequenzbereich vollständig auszuschöpfen. Wenn man davon ausgeht, dass mehr als 90 Prozent der menschlichen Kommunikation auf nonverbaler Ebene stattfindet und die Schneestürme hier häufig einen direkten Sichtkontakt verhindern, waren die Humanoiden gezwungen, ihre vokale Bandbreite zu erhöhen, um dieses Manko auszugleichen.
    »Hast du sehen können, was hier gerade passiert ist?«, rief Karl Bera zu.
    »Ja.« Ihre Stimme klang schrill und gepresst. Vermutlich vor Angst, dachte Karl, weil sie nun alles, woran sie bisher geglaubt hatte, infrage stellen muss.
    Es lag ihm auf der Zunge, sie zu fragen »Willst du jetzt immer noch behaupten, dass die Trolle nicht vernunftbegabt sind?«, aber er hielt sich zurück. Es war besser, wenn sie sich aus eigenem Antrieb zu dieser Erkenntnis durchrang, sobald sie dazu bereit war. »Hol etwas Felsfresserfleisch aus der Satteltasche, ja?«, bat er sie stattdessen. Er winkte dem Troll zu, ihm zu folgen, wobei er eine Hand an die Lippen führte und kauende Bewegungen machte, als würde er etwas essen. Hoffentlich kommt der Troll nicht auf den Gedanken, ich wollte mich ihm als Mahlzeit anbieten, schoss es ihm durch den Kopf, während sie sich gemeinsam dem Ausgang der flachen Felshöhle näherten
    »Es hinkt!«, rief Bera. »Es ist verletzt. In diesem Zustand werden sie zu Menschenfressern.«
    Ich werde dir jetzt die Kontrolle überlassen, dachte Karl an Loki gerichtet. Rede mit ihm. Er spricht eindeutig eine Art Kasachisch.
    Es folgte ein Moment der Orientierungslosigkeit, als würdest du mit einem Raumschiff an einer der gigantischen Relaisstationen andocken, die im Raumzeitfalten-Eintrittspunkt eines jeden Sternensystems schweben, und du spürtest Karls anhaltendes Misstrauen. Vielleicht sogar verständlich, nach allem, was zuvor geschehen war. »Kannst du mich verstehen?«, fragtest du den Troll in sehr langsam und präzise ausgesprochenem Kasachisch, wobei du nach jedem Wort eine kurze Pause einlegtest. »Wenn ja, dann sprich mit mir. Je mehr du sagst, desto mehr werde ich von deiner Sprache verstehen.«
    Bera hatte sich zu den Pferden gesellt. Du schlendertest bewusst langsam zu ihr zurück und deutetest dabei auf einen Felsen. »Felsen«, sagtest du. Dann zeigtest du auf deinen Fuß. »Fuß.« Du schobst das Schwert wieder unter deinen Gürtel. »Schwert.«
    Als ihr beide ins Freie tratet, war dein Rücken vor Anspannung verkrampft. Sollte der Troll doch noch versuchen, dich anzugreifen oder zu fliehen, war jetzt der Moment gekommen. Aber er beobachtete dich einfach nur aufmerksam, während du weiter auf jeden Gegenstand zeigtest, an dem ihr vorbeikamt, und ihn benanntest.
    »Pferde.« Du deutetest auf Grainur und Teitur, deren Nüstern sich blähten, als sie den Troll rochen. Bera machte beruhigende Geräusche und strich Teitur über den Hals, worauf die Pferde sich dem Stroh aus den Futtersäcken zuwandten, das sie ihnen anbot. »Frau.« Bera hob die Augenbrauen, als du auf sie zeigtest, sagte aber nichts, doch sie behielt den Troll, der jetzt stehen geblieben war, genau ihm Auge.
    Der Troll öffnete den Mund und stieß eine schnelle Abfolge von Ultraschallwellen aus, mit denen er Bera und die Tiere akustisch abtastete, worauf beide Ponys instinktiv einen Schritt zurückwichen. Dann drehte er sich um und sagte auf Kasachisch ein einzelnes Wort im hörbaren Frequenzbereich. »Dämonen.«
    Ragnar hatte einen breiten Felssims erreicht und blieb stehen, um auf die anderen zu warten, als ein Kreischen vom Ende der Kolonne her aufklang und er sah, wie das letzte Pferd der Kolonne mit der Hinterhand über die Abbruchkante des schmalen Pfades rutschte.
    Es war Arne Einarssons Pferd. Arne versuchte, das Tier an den Zügeln festzuhalten, erreichte damit jedoch nur, dass es ihn mit sich in die Tiefe riss. Ragnar stockte der Atem, als Arnbjorn, der sich direkt vor Einarsson befand, ebenfalls hinter der Kante verschwand. Glücklicher weise war Orn geistesgegenwärtig genug, das Sicherungs seil blitzschnell um eine große Felsnase zu