Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
schlingen, sonst hätten die beiden Männer auch den Rest der Gruppe, einen nach dem anderen, durch ihr Gewicht mit in den Abgrund gerissen.
Arne war nicht der klügste Mann, der in Ragnars Diensten stand, wenn auch ein tüchtiger Arbeiter, der eisern sparte, um jede Silbermünze, die er verdiente, am Monatsende seiner Familie in Nyttakranes schicken zu können. Deshalb überraschte es Ragnar auch nicht, dass der Trottel versucht hatte, sein Pferd zu retten. Ein Fehler, mit dem er um ein Haar nicht nur sein eigenes, sondern auch das Schicksal all seiner Gefährten besiegelt hätte.
Aus einem ersten Impuls heraus wollte Ragnar den über dem Abgrund baumelnden Mann einfach erschießen, doch es gelang den anderen, ihn und Arnbjorn wieder zu sich heraufzuziehen. Die Anstrengung ließ ihnen die Adern in den Schläfen anschwellen und die Arme fast aus den Gelenkpfannen springen, aber schließlich stan den beide Männer zitternd wieder auf dem schmalen Fels sims.
Arne stöhnte vor Schmerzen, eine Hand in den ausgekugelten anderen Arm gekrallt, der schlaff von seiner Schulter herabbaumelte.
»Dein Proviant ist zusammen mit dem Pferd in die Tiefe gestürzt«, krächzte Ragnar. Er bemühte sich, seine Gedanken zu kanalisieren, indem er den Energieschub, den ihm seine Wut verlieh, dazu benutzte, die Auswirkungen des Sauerstoffmangels zu bekämpfen. Sein eisiger Tonfall ließ Thorir und Bjarney unwillkürlich zurückweichen. »Glaub ja nicht, dass du etwas von den Vorräten der anderen abbekommst.«
»Ich werde schon irgendwie allein klarkommen«, stöhn te Arne. Er hielt seinen ausgekugelten Arm weiter umklammert, während ihm Rotz und Tränen über die Wangen und das Kinn liefen.
»Wie?«, fragte Ragnar rau.
Arnes Kopf ruckte hoch. Er starrte Ragnar an und sah seine Zukunft wie ein unabwendbares Urteil in den Augen des Gothi. Er schluckte mühsam. »Tu es«, sagte er heiser.
Ragnar atmete tief ein und stieß ihn über die Abbruchkante des Weges in die Leere. Vielleicht bildete er es sich nur ein, aber Arne schien einen Moment lang reglos in der Luft zu schweben, bevor er in dem Wildbach in der Tiefe verschwand.
»Er hatte Pech«, erklärte Ragnar. »Wenn wir verhungern müssen, dann soll es so sein, aber nicht wegen ihm.«
Die anderen starrten ihn entsetzt an.
»Wir können niemanden mitschleppen!«, brüllte Ragnar. »Jeder von euch hatte die Chance umzukehren. Ihr habt sie nicht genutzt. Arne hätte uns alle mit sich ins Verderben gerissen.«
»Wann wird das ein Ende finden, Gothi?«, flüsterte Arnbjorn mit bleichem Gesicht, die Augen weit aufgerissenen. »Wann?«
Der Troll rülpste zufrieden und pulte mit seinen spitzen Klauen ein Stückchen Felsfresserfleisch zwischen den Fängen des rechten Oberkiefers hervor. Auch wenn er einen gelösten Eindruck vermittelte und man seine Augen hinter dem dichten Fell nicht genau sehen konnte, ahntest du, dass er nicht ganz so entspannt war, wie er sich den Anschein zu geben versuchte, was vielleicht daran lag, dass du immer wieder eine federleichte Berührung wie von einem Spinnennetz auf deinem Handrücken fühlen konntest. Ausgelöst durch die unhörbaren Laute, die der Troll im Ultraschallbereich ausstieß.
»Gut?«, erkundigtest du dich auf Kasachisch.
Der Troll neigte den Kopf um den Bruchteil eines Zentimeters, die Andeutung eines Nickens.
Du zeigtest auf dich und zögertest. Wer warst du in diesem Moment? Nachdem du zu dem Schluss kamst, dass es wahrscheinlich zu kompliziert werden würde, auf Kasachisch zu erklären, was ein Aye-Download war, sagtest du: »Karl.« Dann richtetest du den Finger auf Bera. »Bera.«
»Woher weißt du, dass er jetzt nicht glauben wird, mein Name wäre das Wort für Frau?«, fragte Bera.
Das ist nicht ganz ernst gemeint, erklärte dir Karl. Siehst du das Zucken in ihren Mundwinkeln? Vielleicht findet sie sich allmählich damit ab, dass die Trolle intelligent sind.
»Weil das nicht die kasachische Vokabel für Frau ist.« Du nanntest ihr das richtige Wort. Der Troll versteifte sich, worauf du erneut auf dich und Bera zeigtest und dazu eure Namen nanntest.
Der Troll deutete auf seine Brust. »Coeo.« Er sprach es dreisilbrig aus: Koh-eh-oh.
»Es widerstrebt mir, eure vertrauliche Plauderstunde stören zu müssen«, warf Bera ein, »aber abgesehen davon, dass wir Proviant verschenken, den wir nicht erübrigen können, haben wir gerade einmal den Rand der Wüste erreicht. Sollten wir uns nicht lieber allmählich wieder auf den Weg
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