Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Schiff. Auf halben Weg blieb Karl stehen, damit Bera wieder zu ihm aufschließen konnte. Sie hatte sich immer weiter zurückfallen lassen, weil sie ständig den Kopf in den Nacken legte, um zu dem dis kusförmigen Gebilde emporzustarren. Es war unverkenn bar, dass sie allein von der Größe des Raumschiffs eingeschüchtert wurde. Sie erschauderte. »Ich weiß«, sagte sie mit einem Anflug ihrer früheren Schroffheit, »es ist lediglich ein Raumschiff.«
Karl antwortete nicht. Ihm war ebenfalls ein wenig unheimlich zumute. Das liegt wahrscheinlich an dieser unnatürlichen Stille, dachte er.
Selbst von einem gelegentlichen Knacken, wie er es eigentlich von einer großen Eisfläche erwartet hätte, war nichts zu hören, als hielte Jokullag den Atem an. Trotzdem wurde er das Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Einmal glaubte er, ein schabendes Geräusch über den See dringen zu hören, aber als er sich umsah, entdeckte er nur einen größeren Eisklumpen, der die Monotonie unterbrach.
Nachdem er das Raumschiff zu etwa zwei Drittel um rundet hatte, stieß er auf eine Rampe, die in einem Winkel von ungefähr 30 Grad aus einer geöffneten Schleuse des Schiffes abwärts führte und bereits nach zwei Metern im Eis verschwand. Selbst dieses kurze Stück war größtenteils mit einer dicken Eis- und Schneeschicht über zogen.
Als Ein- und Ausfahrt für Bodenfahrzeuge, wie sie damals benutzt wurden, erklärte Loki.
Ein paar dünne Metallsplitter lagen um die Rampe verteilt herum, doch außer ihnen und einigen Unebenheiten am Fuß der Rampe sah das Eis so aus, als wäre es seit Jahrhunderten unberührt.
Karl warf wieder einen Blick in die Richtung, aus der er das schabende Geräusch zu hören glaubte. Wahrscheinlich bildete er es sich nur ein, aber der Eisblock schien sich ein wenig bewegt zu haben. Reiß dich zusammen!, beschwor er sich selbst.
Er betrat die Rampe. Die Felle unter seinen Stiefeln dämpften das Geräusch seiner Schritte. Bis auf acht oder neun zwei Meter hohe Holzkisten war der Frachthangar leer. Als er sich der Innentür am anderen Ende des Hangars näherte, nahm er plötzlich eine huschende Bewegung am Rand seines Blickfeldes wahr.
In seinem Rücken klang ein leises Geräusch und dann Beras Schrei auf: »Karl, hinter dir!«
Es war reiner Instinkt, der ihn veranlasste, den Oberkörper in die eine statt in die andere Richtung zu neigen. Er spürte einen Luftzug, als irgendetwas dort, wo sich sein Kopf gerade noch befunden hatte, an ihm vorbeizischte und ein hölzerner Schaft mit einem dumpfen Schlag gegen die Hangarwand prallte.
Karl wirbelte herum und starrte in Ragnars grinsendes Gesicht.
»Hallo, Utlander«, grollte der Gothi. »Es war verdammt hart, in dieser Kälte auf dich warten zu müssen, aber uns wird schon wieder warm werden, wenn wir dich für deine Verbrechen zur Rechenschaft ziehen.«
18
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Aus den Holzkisten, die zwischen Karl und der Rampe standen, schoben sich vier Männer hervor. Thorir wirkte aufgekratzt, Ragnars Nachbar Orn dagegen sorgenvoll. Arnbjorns Gesicht wiederum verriet keinerlei Gefühlsregungen. Karl stellte fest, dass der vierte Mann – einer von Bjarneys Hörigen – Ragnars Sohn stützen musste.
Bera stand mit bleichem Gesicht am Eingang des Hangars, die Augen weit aufgerissen.
Es hatte Karl vielleicht eine halbe Sekunde gekostet, die Szenerie zu erfassen. Seine Gedanken rasten. Wenn er Ragnar angriff, würden die anderen ihrem Anführer sofort zur Seite springen. Sollte er stattdessen vielleicht versuchen, durch die Tür vor ihm zu entkommen? Aber er durfte Bera nicht allein zurücklassen, und zwischen ihm und ihr standen vier Männer.
»Hast du gar nichts zu sagen, Loki?«, fragte Ragnar.
Karl blieb stumm, fest entschlossen, sich nicht aus der Reserve locken zu lassen.
»Was sollen wir mit seinem Flittchen machen?« Thorir trat einen Schritt auf Bera zu, die sofort ihr Schwert hob. Er schob sich seitlich auf die Rampe, um in ihren Rücken zu gelangen, aber sie drehte sich langsam herum, sodass sie ihn im Auge behalten konnte.
»Nie wieder!«, stieß sie hervor, und da wusste Karl – endlich! –, was in Skorradalur geschehen war.
Er versuchte, die in ihm hochbrodelnde Wut hinunterzuwürgen, doch offenbar hatte ihn sein Gesicht verraten.
»Na, hast du deinen Spaß gehabt, Junge?«, erkundigte sich Ragnar. »Konntest wohl nicht die Hände von ihr lassen, was?«
»Ich habe sie nicht gefickt, wenn es das ist, was du meinst!«, fauchte Karl Ragnar voller
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