Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
Vom Netzwerk:
ob die Nanophyten allmählich versagten, oder ob es nur daran lag, dass er letzte Nacht zu viele davon ausgeschieden hatte.
    Coeo berührte ihn am Arm. »Ich gehe hier«, sagte er. »Ihr geht auf anderer Seite.« Er deutete auf die wallartige Erhöhung, die ein Stückchen landeinwärts parallel zum Ufer des Sees verlief. »Da bleibt ihr warm. Wenn ich Schrein sehe, rufe ich euch. Ja?«
    Obwohl es Karl beinahe wie eine Kapitulation vorkam, kletterten Bera und er wieder die Schotterböschung hinauf. Oben angekommen stellte er fest, dass die Bodenwellen, die sie zuvor überquert hatten, eine gestaffelte Reihe gewaltiger konzentrischer Ringe bildeten. Der dem See nächste Ring bestand aus den größten Geröllbrocken, landeinwärts wurde das Gestein immer kleiner. Karl vermutete, dass die Ringe so etwas wie Endmoränen waren, die verrieten, wie weit sich die Eis decke des Sees infolge von Klimaschwankungen im Laufe der Jahrzehnte, Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende vorgeschoben und wieder zurückgezogen hatten.
    Sie stiegen wieder in die Sohle zwischen dem ersten und zweiten Ring zurück, wo sie besser vor dem unablässig wehenden Wind geschützt waren, auch wenn Karl immer wieder kurz die Böschung hinaufkletterte, um der stämmigen zottigen Gestalt am Rande des Sees zuzuwinken. Coeo folgte der Uferlinie mit einer Leichtfüßigkeit, als wäre der Marsch durch die eisige Wüste ein Sonntagsspaziergang für ihn. Das ist seine Welt, dachte Karl. Wenn er tatsächlich ein Nachkomme der Pantropisten ist, wurde er genetisch an diese Umweltverhältnisse angepasst. Was wird wohl aus ihm werden, wenn die Kolonisten den Planeten weiter terraformen? Würde er die Veränderung verkraften, oder würde sich Isheimur für ihn in eine lebensfeindliche Welt verwandeln? Wahrscheinlich beantwortete der tote Humanoide, den er in dem Tal gesehen hatte, um das sich Ragnar und Steinar stritten, seine Frage. Coeos Spezies war vermutlich weder in der Lage, die Kohlendioxidkonzentration zu ertragen, die nötig war, um Isheimur ausreichend zu erwärmen, noch den für Menschen optimalen Sauerstoffgehalt der Atmosphäre zu überleben.
    Er behielt seine Gedanken für sich, um Bera, die sich mit gesenktem Kopf unter ihrem Rucksack dahinschleppte, nicht damit zu belasten. Teiturs Tod und die Auseinandersetzung mit den Dauskalas schienen ihren Kampfeswillen gebrochen zu haben. Er stieg wieder die Böschung hinab und kehrte zu ihr zurück.
    Als er sich bei ihr einhakte, sah sie mit einem schwachen Lächeln zu ihm auf. »Was?«, fragte sie.
    »Du nimmst mir die Worte aus dem Mund. Oder das Wort. Woran denkst du?«
    »Daran, was aus mir wird, nachdem du verschwunden bist. Wenn ich als Gesetzlose gelte, ist mein Schicksal besiegelt. Wenn nicht …«
    »Komm doch mit mir«, schlug er vor.
    »Das sagt sich so leicht. Aber es ist gar nicht so einfach, es auch zu tun. Erinner dich nur, wie seltsam wir dir vorgekommen sind, und im Gegensatz zu uns hast du schon die unterschiedlichsten Kulturen kennengelernt. Wie würde es mir da in deiner Heimat ergehen? Wie würde deine Familie auf mich reagieren?«
    »Du musst ja nicht für alle Zeiten bei meiner Familie bleiben. Du könntest so lange bei uns wohnen, bis du mit unserer Welt vertraut geworden bist, und uns verlassen, wann immer du es möchtest.«
    Bera antwortete nicht.
    Sie marschierten schweigend weiter. Der eisige Wind wurde noch stärker, seine Böen fanden ihren Weg in die Senke zwischen den konzentrischen Geröllringen und peitschten Bera das Haar ins Gesicht. Sie raffte es im Gehen mit einer Hand im Nacken zusammen, zog mit der anderen ein Band aus der Tasche und versuchte, es zu einem Pferdeschwanz zusammenzubinden, doch der Wind riss immer wieder einzelne Haarsträhnen los, wie sehr sie sich auch bemühte.
    »Warte«, sagte Karl. »Lass mich mal versuchen.« Er nahm ihr den Stoffstreifen aus der Hand, lehnte sich gegen sie und band ihr das Haar, das sie weiter festhielt, im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammen. Dabei trafen sich ihre Blicke aus nächster Nähe, und er sah, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss.
    Sie zuckte zurück und löste sich von ihm. »Danke«, murmelte sie.
    Im Verlauf der nächsten Stunden zogen Wolken auf. Der Himmel verdüsterte sich, bis er regelrecht schwarz wurde. Das graue Zwielicht verwandelte die raue Schönheit der wild zerklüfteten Landschaft in eine trostlose Ödnis. Regentropfen klatschten ihnen ins Gesicht. Karl fluchte leise.
    Schon nach wenigen Minuten hatte

Weitere Kostenlose Bücher