Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Fähigkeiten in Vergessenheit hatten geraten lassen. Jetzt aber half ihm sein Hobby, viele der Zeichen auf der Schalttafel zu entziffern, unter anderem die Buchstabenkombination, die für die Warnung »Gefahr!« stand. Die Übersetzung der archaischen Instruktionen bereitete ihm schon nach kurzer Zeit Kopfschmerzen, aber glücklicherweise gab es außer dem Text etliche Piktogramme, die ihm das Verständnis erleichterten. Nach einer Weile drückte er auf eine Reihe von Knöpfen, von denen er hoffte, dass es die richtigen waren.
Nichts geschah.
»Scheiße. Scheiße! Scheiße!!! «
Er ließ sich auf die Knie nieder und fummelte an zwei Luken am Fuß der Schleuse herum. Sie ließen sich weder zur Seite schieben noch herausziehen, doch eine öffnete sich nach innen. Vermutlich ließ sich die zweite von der anderen Seite ebenso aufdrücken.
Als er sich zu den anderen umdrehte, bekam er gerade noch das Ende des hitzigen Wortwechsels zwischen Bera und Thorir mit. Sie starrten einander an, Bera vor Wut am ganzen Körper bebend, Thorir mit hochrot angelaufenem Gesicht. Orn und Arnbjorn blickten betreten zu Boden.
»Kriech da durch«, sagte Karl zu Bera, bevor er sich wieder Ragnars Männern zuwandte. »Wenn ihr uns folgt, stirbt der alte Mann.«
»Ihr werdet uns nicht entkommen«, zischte Thorir.
»Sei still, Thorir«, sagte Arnbjorn leise. »Oder ich schlage dich tot.«
»Und ich werde schwören, dass es Notwehr war«, versprach Orn.
Karl rutschte hinter Bera durch die Bodenklappe. »Jetzt du, Ragnar!«, rief er.
»Ich werde nicht …«
»Tu es!«
Ragnar zwängte sich durch die schmale Luke, dicht gefolgt von Coeo.
Auf der anderen Seite breitete sich ein nackter Metallboden aus, der früher vielleicht einmal mit Rasen oder irgendeinem anorganischen Überzug bedeckt gewesen waren. Jetzt lagen überall verstreut Abfallreste herum. Aus dem Metall ragende Klammern und Haken verrieten, wo früher einmal irgendwelche jetzt fehlenden Einrichtungsgegenstände am Boden befestigt gewesen waren. Kabelstränge quollen aus offen stehenden Klappen kleiner Wandschränke hervor. Die seit Jahrhunderten abgestandene Luft roch nach Staub und Rost.
Karl deutete auf ein Gebilde, das vielleicht einmal das Gehäuse eines riesigen Motors gewesen war und dessen Gewicht er auf mindestens eine Tonne schätzte. Das müsste funktionieren, dachte er. »Bera, hilf mir, die Klappe mit diesem Ding da zu blockieren.«
Metall quietschte schrill auf Metall und übertönte die Stimmen der Männer aus dem Hangar, als sie das Gehäuse über den glatten Boden vor die Luke schoben.
»Das wäre das.« Karl wischte sich die Hände ab und hob einen in der Nähe herumliegenden Plastikstreifen. »Umdrehen!«, befahl er Ragnar. Der Gothi gehorchte wortlos und erweckte zum ersten Mal, seit Karl ihn kennengelernt hatte, einen wirklich nervösen Eindruck.
Karl fesselte ihm die Hände mit dem Plastikstreifen. »Nimm du ihn mit«, sagte er zu Coeo.
Sie folgten den Gängen, wobei sie ständig die Schräglage des Raumschiffs von rund 30 Grad kompensieren mussten, durchstöberten offene Wandschränke, rissen alle Luken und Klappen auf und überprüften sämtliche verglasten Kontrolltafeln nach funktionierenden Anzeigen. Karl rief Befehle auf Kasachisch und allen anderen verwandten Sprachen, die Loki kannte, doch es war vergebens. Die Winter Song muss noch aus der Zeit vor der Erfindung sprachgesteuerter Ayes stammen, wandte er sich in Gedanken an Loki.
Versuch es weiter, erwiderte Loki.
Seine Bemühungen blieben erfolglos. Die Winter Song war so tot, wie er es befürchtet hatte. Jede Verbindungstür musste manuell geöffnet werden, die Aufzugröhren zwischen den verschiedenen Decks waren außer Betrieb, sodass Karl und seine Begleiter gezwungen waren, Treppen zu steigen.
Auf jeder Ebene versuchte er es erneut. Als sie das vierte Deck erreichten, meldete sich Ragnar, der bisher geschwiegen hatte, wieder zu Wort. »Du verschwendest nur deine Zeit, Utlander.«
»Vielleicht«, erwiderte Karl. »Vielleicht aber auch nicht.«
»Meine Leute mögen zwar Angst vor diesem Schiff haben«, fuhr Ragnar fort, »aber – vertrau mir – sie werden sich ihr stellen und sie überwinden. Gib auf, dann wird dir das zu deinen Gunsten angerechnet werden, wenn wir über dich zu Gericht sitzen.«
»Er ist nicht der Bandit, zu dem ihn jedes Gericht erklären würde«, verteidigte Bera Karl. Sie hätte sich ihre Worte genauso gut sparen können.
Sie stiegen weiter in dem
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