Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
aus dem Mund wie bei einem Spaniel an einem heißen Tag. Noch ein weiterer Treffer von ihm, und sie würde ihr Schwert nicht mehr halten können.
Sie wartete den Schlag gar nicht mehr ab, ließ das Schwert los, als Thorir den Arm zum Schlag zurückriss, sprang vor und bohrte ihm das Schälmesser mit der rechten Hand ins Herz.
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Im ersten Moment war sich Bera nicht sicher, ob die Klinge alle Schichten von Thorirs Kleidung durchdrungen hatte. Wie seine Kameraden trug auch er einen Brustschutz, hatte jedoch wie alle anderen zugunsten der leichteren Schutzkleidung, die sie auch beim Hüten der Herden benutzten, auf einen festen Kampfharnisch verzichtet. Auf den Weiden um Skorradalur herum kam es nur selten zu Angriffen durch Raubtiere, die zudem meistens flohen, statt die Menschen anzugreifen.
Doch dann wurden Thorirs Augen groß, und er schien in einem unsichtbaren Wind zu schwanken, der ihm aus Walhalla entgegenblies. Bera stieß einen Schrei aus, in dem sich Freude und Wut über seine Arroganz paarten. Er war sich seiner so sicher gewesen, dass er mit ihr gespielt hatte. Die Erstarrung fiel von ihr ab. Sie setzte ihm einen Fuß auf den Brustkorb und riss das Messer frei. Nach dem Schmatzen, mit dem es sich aus seiner Brust löste, musste sie gar nicht mehr das Blut auf der Klinge sehen.
Als hätte sie einen Schalter umgelegt, erlosch das Leben in Thorirs Augen übergangslos. Aus einem seiner Mundwinkel sickerte ein dünnes Blutrinnsal hervor. Bera versetzte ihm einen Stoß, und er kippte rücklings um. Sie verspürte einen seltsamen Stolz darüber in sich aufsteigen, dass sie nur einen einzigen sauberen Stich benötigt hatte, um ihn zu töten. Vor Erleichterung, dass er ihr nie wieder würde wehtun können, fast überwältigt, presste sie sich eine Hand auf den Mund, unschlüssig, ob sie sich übergeben oder weinen sollte oder beides zugleich.
Der Kampf um sie herum ging weiter, als hätte niemand ihren Triumphschrei gehört. Ragnar focht nur halbherzig gegen Karl, und das war auch gut so, denn Karl hatte schon genug damit zu tun, sich gegen Arnbjorn zur Wehr zu setzen, wie das Blut bewies, das ihm über einen Arm lief. Auch Coeo und Orn waren blutbesudelt.
Orn schien derart von Panik erfüllt zu sein, dass Bera befürchtete, er könnte jeden Augenblick völlig durchdrehen und Amok laufen. Sie ergriff eine etwa einen Meter lange auf dem Boden liegende Wandverkleidung und schmettere sie ihm auf den Hinterkopf.
»Takk!« Coeo entblößte seine riesigen Eckzähne zu einem – wie Bera hoffte – freundschaftlichen Grinsen.
»Bitte sehr«, erwiderte sie, und gemeinsam rückten sie auf ihre letzten beiden Gegner vor.
Ragnar rief eine Warnung. Arnbjorn drehte sich halb herum, sah, dass er umzingelt war, und hob sein Schwert, die Spitze zur Decke gerichtet. »Waffenstillstand!«
»Für wie lange?«, fragte Karl. »Bis ihr uns das nächste Mal aus dem Hinterhalt angreift?« Doch auch er hielt inne und führte das Datenkabel wieder in seinen Nacken ein.
Arnbjorn wirbelte das Schwert herum, fing es an der Spitze auf, legte es mit der Klinge auf seinen Unterarm und bot es Karl mit dem Griff voraus an. »Ihr könnt uns auch durchsuchen, wenn ihr wollt«, sagte er. »Ich war überrascht, dass ihr es nicht schon beim ersten Mal getan habt.«
»Wir sind noch Anfänger auf diesem Gebiet«, knurrte Karl. »Aber wir werden den gleichen Fehler kein zweites Mal machen. Also runter mit der Kleidung.« Der Geistesblitz traf ihn, als Arnbjorn das Schwert gerade zurückziehen wollte. »Nein, wartet! Seid ihr bereit, mir Gefolgschaft zu schwören? Ich bewerbe mich hiermit für die Position eures neuen Gothi.«
Ragnar schnaubte ungläubig, doch dann erstarrte er. »Meinst du das ernst?«
»Todernst«, versicherte Karl. »Ihr befindet euch jetzt auf meinem Territorium und benutzt meine Ressourcen.«
»Niemals!«, rief Arnbjorn.
»Tu es«, sagte Ragnar und sank in die Knie. Arnbjorn zögerte, doch dann folgte er dem Beispiel seines Vaters. Orn der sich mittlerweile wieder aufgerappelt hatte, trat hinzu, und Ragnar zog ihn neben sich auf den Boden.
»Ich gelobe meinem Anführer Gefolgschaft. Alles, was mein ist, gehört dir, und ich werde dir folgen, wohin auch immer du mich führst. Im Gegenzug gewährst du mir Unterkunft, Beistand, Ehre und Vertrauen. Dies schwöre ich in Wotans Namen!«
Bera hatte sich hinter den Siedlern aufgebaut. Sie nickte. »Der Eid wurde ordnungsgemäß geleistet. Ohne hinter dem Rücken gekreuzte
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