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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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dem komplizierte juristische Fälle und andere wichtige Angelegenheiten erörtert wurden, darunter auch Berufungen gegen bereits ergangene Urteile.
    Seiner Meinung nach stellte das System der miteinan der konkurrierenden »Regierungsdienstleistungen« Ishei murs größte gesellschaftliche Errungenschaft dar, weil die Furcht der Gothis davor, Klienten zu verlieren, der Ineffizienz und dem Machtmissbrauch einen Riegel vorschob. Seine Flexibilität und hohe Belastbarkeit hatte das isheimurische Recht dem Umstand zu verdanken, dass die Autorität eines Entscheidungsträgers nicht zwangsläufig an seinen Wohnort gebunden war. Ohne das doppelte Gift, das einerseits durch Landbesitz und andererseits durch das Führen eines Titels zustande kam, der von Gothi zu Gothi weitervererbt wurde, war es schwierig, langwierige Fehden auszufechten. Schwierig, aber nicht gänzlich unmöglich.
    Das Orakel erleichterte Ragnar die Arbeit. Mit seiner Hilfe konnte er sich hin und wieder mit den anderen Gothis austauschen, auch wenn sie sich so selten zu Hause aufhielten, dass es sich bei den »Gesprächen« in der Regel eher um den Austausch aufgezeichneter Mitteilungen handelte. Ein lückenhaftes System, das durch die weiten Entfernungen und Gebirge noch erschwert wurde. Trotzdem wollte Ragnar lieber nicht darüber nach denken, was sie unternehmen sollten, falls das System irgendwann zusammenbrach.
    Er hatte einige Nachrichten über Allman an seine Kollegen geschickt, in denen er ihnen mitteilte, dass sich eine Art umherziehender Seher in der Region aufhielt, und sich erkundigte, wer von ihnen – wenn überhaupt irgendeiner – schon darüber Bescheid wusste. Bisher waren alle Antworten negativ ausgefallen. Das hatte den positiven Nebeneffekt, dass er Allman den anderen Gothis gegenüber als Unruhestifter darstellen konnte.
    Ragnar wollte nach Möglichkeit verhindern, dass der Utlander weiterzog, um sich über seine Behandlung zu beschweren. Sollte Allman nicht mit seinen Entscheidungen einverstanden sein, hatte er das Recht – sofern er den Status eines freien Mannes besaß –, sich einem anderen Gothi anzuschließen, ohne dafür aus Skorradalur fortziehen zu müssen. Oberhaupt und Klient durften ihre gemeinsame Übereinkunft jederzeit aus freien Stücken aufkündigen, sodass Allman theoretisch einem anderen Gothi Gefolgschaft geloben konnte. Sein noch nicht geklärter Status verkomplizierte die Sache einerseits, war andererseits jedoch vielleicht sogar von Vorteil. Denn soweit es Ragnar betraf, stand er offiziell außerhalb der Gesetze, was darauf hinauslief, dass er – von seinen Schulden einmal abgesehen – ihm gegenüber zwar keinerlei Verpflichtungen, aber auch keinerlei Rechte hatte. Ragnar hatte ihm ein Dach über dem Kopf geboten und das Essen seiner Leute mit ihm geteilt. Er hatte nicht die Absicht zuzulassen, dass der Fremde sich ein Beispiel an Bera nahm und ihn demütigte, indem er einfach aus Skorradalur fortlief, ohne vorher seine Schulden beglichen zu haben – auch wenn die Höhe dieser Schulden von Ragnar selbst festgelegt worden war.
    Zum Teufel mit ihm! Der Bastard würde bleiben und für seine Kost und Logis auf die einzige Art und Weise bezahlen müssen, die ihm blieb: indem er für ihn arbeitete. Es gab in Skorradalur immer mehr zu tun, als die verfügbaren Arbeitskräfte erledigen konnten, und vielleicht würde es Allmans Beitrag sein, der den Unterschied zwischen dem Gedeihen der Siedlung und dem bloßen Überleben ihrer Gemeinschaft ausmachte.
    Ragnar legte die Akte beiseite, die er über Steinar Onundsson angefertigt hatte. Er hatte den anderen Gothis bereits ein paar Nachrichten zukommen lassen und sich bei der Gelegenheit erkundigt, ob Steinar ihnen ebenfalls Schwierigkeiten machte. Sein Plan sah vor, die Sache vorerst behutsam anzugehen, sie im Verlauf des Winters jedoch Schritt für Schritt zu forcieren, sich von seinen Kollegen Rückendeckung zu holen und Steinar während des Frühlingsmarktfestes dann zum Duell zu fordern, um ihren Disput auf die eine oder andere Art endgültig aus der Welt zu schaffen.
    Von draußen klangen Rufe und Gelächter auf. Ragnar warf einen Blick aus dem Fenster und erblickte Allman, der sich gerade die Hände an einem Putzlumpen abwischte, während Orn ihm kräftig auf die Schultern klopfte.
    Seine Stimmung hellte sich auf, als er sah, wie sich Allman anschließend mit Arnbjorn unterhielt, der mit einer weiteren Schafherde von den Sommerweiden zurückgekehrt war. Er verließ

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