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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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einbrechen.«
    »Also ist er …« Du rangst um die richtigen Worte. »Zornig? Aus Sorge?«
    »Vielleicht teilweise«, sagte Bera. »Er ist zu einem Teil aus dem Grund Gothi, weil die anderen in dieser Ge gend, die diese Aufgabe übernehmen könnten, nicht dazu bereit sind, und zum anderen Teil, weil diejenigen, die es gern wären, weder die dafür nötigen Fähigkeiten besitzen, noch die Unterstützung der anderen haben.« Sie schob dich die Treppe hinunter. »Er war nicht immer so schlimm wie jetzt. Doch er hat Gunnhild so sehr wie das Leben selbst geliebt. Seither … Kannst du dir vorstellen, wie es sich anfühlt, jemanden zu verlieren, den man derart geliebt hat?« Sie seufzte. »Oh, Loki, ich liebe dich wie einen Sohn, aber ich vermisse Karl. Mit ihm kann ich wenigstens reden.« Plötzlich wirkte sie entsetzt. »Er kann das doch nicht hören, oder?«
    »Nein«, versichertest du. Du spürtest, wie der Andere weiter an die Oberfläche stieg, und wie ein Ertrinkender balanciertest du auf dem geistigen Äquivalent seines Kopfes.
    »Seit Gunnhilds Tod«, fuhr Bera, die nichts von deinem inneren Aufruhr bemerkte, fort, »scheinen die vielen guten Eigenschaften, die Ragnar auszeichnen, dahinzuwelken, während seine schlechten Charakterzüge dominanter werden.«
    Du spürtest, wie die Welt zurückwich. Das Letzte, was du hörtest, bevor du wieder in den zerrissenen Tiefen des Unbewussten versankst, war, wie Bera sagte: »Ich denke, dass wir Ragnar immer noch für den Mann lieben, der er einmal war, nicht für das, was aus ihm geworden ist. Deshalb ertragen wir sein Benehmen.«
    Dann verschlang dich der lautlose Abgrund endgültig.
    Bis zum nächsten Erwachen, gelobtest du.

8 Ragnar
    8 0 RAGNAR
    Ragnar stellte mit grimmiger Befriedigung fest, dass der Utlander nicht mehr hinkte, während er die Hügelkuppe oberhalb von ihm entlangging, sondern die wolkenverhüllten Weiden mit raumgreifenden Schritten durchquerte. Mittlerweile verzichtete der Fremde auch auf den Gehstock, das letzte Überbleibsel seiner wochenlangen Genesung.
    Im Hochland hatte sich der Schnee bereits festgesetzt, während es in den tiefer gelegenen Gebieten immer länger dauerte, bis er in gelegentlichen Phasen von Sonnenschein wieder taute. Schon bald würde er das gesamte Land mit einer hauchdünnen Schicht überziehen.
    Hinter ihnen vervollständigte Gudmundir die Dreieckformation der Schäfer. Zum Treiben der Herde wurden drei Mann benötigt, auf den Sommerweiden dagegen reichte ein Mann aus, um sie zu hüten. Gudmundir – Gummi – lebte während des Sommers oben in den Hügeln in einem Zelt aus Havalifugilleder, das leichter, aber sehr viel robuster als Canvas war. Im Winter kehrten die Schäfer, die ausnahmslos Hörige waren, zum Haupthaus zurück, das in diesem Jahr noch überfüllter als sonst schon war. Jetzt gab es ein weiteres hungriges Maul zu stopfen, doch Ragnar war überzeugt, dass Allman sich nicht nur seinen Anteil verdienen, sondern auch das zurückzahlen würde, was er ihm für seine Pflege schuldete.
    Aus Tagen wurden Wochen, und Ragnar beobachtete mit boshaftem Vergnügen, wie sein haarloser neuer Arbeiter die Hügel und Täler mit den zurückkehrenden Schafen durchstreifte und dabei an den unsichtbaren Fesseln zerrte, die ihn hier festhielten. Er konnte mit der Abneigung, die Allman gegen ihn hegte, leben, und er fand sich widerwillig damit ab, dass der dunkelhäutige Mann arbeitete, ohne sich zu beklagen, auch unter Umständen, die selbst dem zähesten Isheimurer Schwierigkeiten bereiteten. Beras gefühlsduselige Vorwürfe waren dagegen schwerer zu ertragen und machten ihn wütend, weil er nicht wusste, was er darauf erwidern sollte.
    Mit plötzlichem Erschrecken registrierte er, dass die Herde in Richtung auf einen Sumpf ausscherte. »Halte die Schafe dichter zusammen!«, bellte er. Allman begriff nicht, wie das System aus Pfiffen und Handzeichen funktionierte, das die anderen ihm beizubringen versuchten, oder zumindest tat er so. Doch auf Ragnars Befehl hin dirigierte er die Tiere näher zu ihm und seinem Hund, sodass sie sich wieder vom Rand des Sumpfes entfernten. Die Herde verließ die morastige Senke, schob sich raschelnd durch das hohe Gras und näherte sich der seichtesten Furt des kleinen Flusses, der den Sumpf speiste. Schon ein Stückchen weiter hangaufwärts wäre er bereits zu tief und zu reißend gewesen, als dass man ihn mit den Schafen hätte überqueren können.
    Sie benötigten eine halbe Stunde, in der sie

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