Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
verbannte, wo es irgendwann schon Gestalt annehmen würde. »Soweit ich es beurteilen kann, sind die menschlichen Siedlungen so etwas wie kleine Oasen inmitten einer weiten Wildnis.«
»Das trifft es so ungefähr«, bestätigte Bera. »Jenseits der tropischen Breitengrade ist das Klima zu kalt für uns, aber wir haben einen schmalen Landstreifen besiedelt, der den gesamten Planeten umgibt. In diesem Gürtel ist es uns gelungen, die einheimischen Lebensformen weitgehend zurückzudrängen und dem Land eine karge Existenzgrundlage abzuringen. Dort betreiben wir unsere Landwirtschaft, aber bis die Gestalter zurückkehren, wer den wir die von uns begonnene Kultivierung Isheimurs nicht richtig zu Ende führen können.«
Karl überlegte, ob er ihr ganz offen sagen sollte, dass eine Rückkehr der Terraformer so gut wie ausgeschlossen war, entschied sich aber dagegen.
Der Schnee fiel immer dichter, und in dem Maß, in dem sich die Sichtverhältnisse verschlechterten, nahm das Tempo der Pferde ab.
»Das gefällt mir gar nicht«, sagte Bera. »Snolpelze und andere Raubtiere suchen sich mit Vorliebe Schneefälle aus, um auf die Jagd zu gehen. Wir sollten uns vorsichtshalber weiter von der Felsfresserherde entfernen.«
»Von welcher?«, fragte Karl, während er im infraroten Spektrum Ausschau nach den Wärmesignaturen einer zweiten Herde hielt, die auf der anderen Seite von ihnen vorbeizog. »Wir befinden uns mitten zwischen zwei Herden.«
»Niemand hat behauptet, dass die Reise leicht werden wird«, erwiderte Bera und ließ den ersten Anflug eines Lächelns aufblitzen, seit Loki sie am Tag zuvor bedrängt hatte.
Karl lächelte wortlos zurück und beschränkte sich darauf, den kurzen Moment der Entspannung zu genießen. Plötzlich richtete er sich gerade im Sattel auf. »Was war das?«, fragte er. »Da war ein Knurren, rechts von uns.« Die Sichtweite war auf wenige Meter gesunken, und er schaltete seine Augen erneut auf Infrarotmodus.
»Bist du dir sicher, dass es nicht eher eine Art Husten war?«, erkundigte sich Bera. »Das ist nämlich das Geräusch, mit dem ein Snolpelz sein Territorium markiert.«
»Nein«, sagte Karl. »Mehr ein Knurren.«
»Scheiße!«, zischte Bera.
Alles, was Karl im dichten Schneetreiben erkennen konnte, waren die Wärmesignaturen der Felsfresser, die im Schnee nach Flechten scharrten.
Der Schemen, der plötzlich auf Bera zuschoss, kam nicht etwa aus der Richtung, aus der das Knurren ertönt war, sondern genau aus der entgegengesetzten Richtung.
»Links von dir!«, schrie Karl.
Er hatte das letzte Wort noch nicht beendet, als Bera auch schon zwei Kugeln abgefeuert hatte, die mit einem Brüllen beantwortet wurden, begleitet von einem fauligen Gestank, der so intensiv war, dass Karl ihn noch über eine Entfernung von etlichen Metern riechen konnte. »Halt die Luft an!«, rief Bera, duckte sich tief auf den Hals ihres Ponys und preschte davon, als sei ihr der Teufel persönlich auf den Fersen.
Als Karl einen flüchtigen Blick auf irgendetwas im Schneegestöber erhaschte, das lang und schlangenartig war, aber vier kurze stämmige Beine hatte, zog er ebenfalls den Kopf ein und beugte sich vornüber. Im gleichen Moment vollführte Grainur praktisch aus dem Stand heraus einen Satz vorwärts, der ihn beinahe aus dem Sattel warf. Er hielt den Blick starr auf das Reservepferd und Bera gerichtet, die vor ihm durch den Schnee jagten, ignorierte den Schemen zu seiner Linken und konzentrierte sich stattdessen darauf, im Sattel zu bleiben.
Erst nach rund einem Kilometer drosselte Bera allmählich wieder das Tempo.
»Was, zum Teufel, war das denn?«, fragte Karl, während er nach Luft schnappte.
»Drache«, keuchte Bera knapp.
»Häh?«
Sie lächelte und ließ sich ein paar Atemzüge mit einer ausführlicheren Antwort Zeit. »Das war die ausgewachsene Version des Tiers, das uns früher schon einmal begegnet ist. Und was den stinkenden Atem betrifft … Versuch du mal, dein ganzes Leben mit einem von Gas aufgeblähten Bauch herumzulaufen.«
»Warum, verdammte Scheiße, hast du das junge Viech dann nicht getötet?«
»Weil trotz ihrer hohen Geburtenrate viele der Jungen von ihren Eltern gefressen werden«, erklärte Bera. »Warum sollte ich den Alten die Arbeit abnehmen?«
Karl machte mit dem Daumen eine ruckhafte Bewegung über seine Schulter. »Deshalb!«
»Beruhige dich!« Bera grinste. »Wir haben es doch geschafft, oder? Liebe Güte, bist du aber ein Sensibelchen!«
Karl vermutete, dass
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