Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song
Gothi?« Orn hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass Ragnar sich einbildete, das Knirschen seiner Kieferknochen zu hören.
»Du weißt, was wir tun müssen.« Er legte dem anderen eine Hand auf die Schulter und drückte zu.
»Nein!« Orn schüttelte wie betäubt den Kopf. »Nein!«
»Besser, es geht schnell«, sagte Ragnar.
»Ragnar, wir sollten …«, begann Thorir.
»Halt den Mund!«, fauchte Ragnar. »Niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt. Halt einfach weiter nach den restlichen Snolpelzen Ausschau, und überlass uns das Denken.« Seine Hände zitterten, als er die improvisierte Kompresse um Ettis Hals lockerte und der Knecht irgendetwas Unverständliches lallte. »Es tut mir leid, mein Tapferer«, sagte er sanft. »Besser, du hast es schnell überstanden, was?«
Etti blickte auf; seine Augen irrten ziellos umher. Aus einem seiner Mundwinkel sickerte ein dünner Speichelfaden hervor, aber er brachte ein schwaches Nicken zustande. Ragnar löste die Kompresse vollständig und hielt Ettis Hände fest, während das Leben aus den Augen des Fronarbeiters wich.
Nachdem es vorbei war, deutete Orn mit einem Rucken des Kopfes zur Seite, und Ragnar folgte ihm widerwillig ein Stückchen fort vom Rest der Gruppe. Er ahnte, was kommen würde, und Orn bestätigte seine Vermutung, als er sagte: »Wir können es uns nicht leisten, noch mehr Männer auf diese Weise zu verlieren.«
»Uns allen ist nur zu gut bewusst, welches Risiko wir jedes Mal eingehen, wenn wir in die Wildnis vordringen, Orn«, entgegnete Ragnar. »Und ist es hier draußen wirklich gefährlicher für uns, als wenn wir auf den Sommerweiden bei den Schafherden im Freien schlafen? Wir werden sogar in der Nähe von Sorradalur von Snolpelzen und anderen Raubtieren angegriffen. Was bringt dich also auf den Gedanken, dass wir dort sicherer sind?«
»Hier draußen sind wir nicht auf unserem, sondern auf ihrem Territorium«, sagte Orn.
»Auf ihrem Territorium? Wer behauptet denn so einen Schwachsinn? Dies ist unser Planet, Orn!« Ragnar rückte so dicht an Orn heran, dass sich ihre Lippen beinahe berührten, und unterstrich jedes weitere seiner Worte, indem er ihm einen Finger gegen die Brust stieß. »Es gibt keine für uns verbotenen Gegenden auf Isheimur, Orn – oder hast du etwa die Absicht, auf dem Althing vorzuschlagen, dass wir uns von Isheimur zurückziehen sollen?«
Orn wich Ragnars Blick aus und starrte zu Boden. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Nein.«
»Dann lass uns kein weiteres Wort mehr über diesen Unfug verlieren, ja?«
»Nein, Ragnar.«
»Und, kann ich auch weiterhin auf deine Unterstützung zählen?«
Orn nickte langsam.
Sie kehrten durch den mittlerweile immer stärker in dicken Flocken fallenden Schnee zu den anderen zurück. Dann begannen sie schweigend zu arbeiten. Stille umgab sie, denn der Schnee dämpfte alle Geräusche, die sie machten, sogar ein gelegentliches Schnauben oder ungeduldiges Stampfen ihrer Pferde.
Die Männer bauten einen klapprigen Schrein für Etti und die getöteten Tiere. Obwohl Ragnar wusste, dass die Zeit drängte, musste er einen Anflug von schlechtem Gewissen unterdrücken, weil er sich nicht mehr Zeit nahm, um Etti angemessen zu ehren, als er das Gedicht wiederholte, das er für Andri gemacht hatte, wobei er nur die Namen austauschte sowie eine zusätzliche Zeile hinzufügte. »Das ist ein weiteres Leben, das auf dein Konto geht, Utlander«, knurrte er. Dann entzündete er die Fackel und schickte Etti auf die letzte Reise nach Walhalla.
Die Dunkelheit senkte sich mit der beängstigenden Geschwindigkeit eines wolkenverhangenen winterlichen Nachmittags herab, als das Ödland plötzlich wie abgeschnitten endete.
Glücklicherweise hatte es aufgehört zu schneien, auch wenn sie durch eine tief hängende Wolke ritten, sodass sie gerade noch genügend Zeit fanden, um im letzten Mo ment anhalten zu können.
Karl starrte in das Zwielicht. Der bisher flach verlaufende Pfad fiel direkt vor ihm steil ab. »Er führt rechts von uns in die Tiefe«, sagte er.
Beras Gesicht war weiß und verkniffen, und Karl bemerkte nicht zum ersten Mal, wie erschöpft sie wirkte. Auch die Pferde ließen die Köpfe hängen. Das sind keine Maschinen, die wir reiten können, bis wir zur nächsten Aufladestation kommen, dachte er. Sie haben keine Batterien, die sich einfach nur entladen – sie sterben. Das darf ich nie vergessen.
»Irgendeine Ahnung, wo wir sind?«, rief er, als er Bera, die wieder vorausritt,
Weitere Kostenlose Bücher