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Gesund durch Meditation

Gesund durch Meditation

Titel: Gesund durch Meditation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Kabat-Zinn
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Übung, zu der uns unser stressreicher Alltag reichlich Gelegenheit bietet.
    Sendet das limbische System entsprechende Impulse an bestimmte Bereiche des Hypothalamus, der daraufhin den sympathischen Zweig des vegetativen Nervensystems aktiviert, kommt es zu einer massiven Entladung von Nervensignalen, die wiederum die Funktionen der Organe und Organsysteme beeinflussen. Dies geschieht zum einen durch die festen Nervenverbindungen zu den inneren Organen, zum anderen durch die Abgabe von Hormonen und Neuropeptiden ins Blut. Ein Teil der Hormone wird von Drüsen abgesondert, andere (die Neuropeptide) von Nervenzellen, wieder andere sowohl von Drüsen als auch von Nervenzellen. Hormone und Neuropeptide sind im ganzen Körper zirkulierende Botenstoffe, die Informationen übermitteln und in den verschiedenen Zellverbänden und Geweben bestimmte Reaktionen auslösen. Am Zielort angelangt, docken sie an spezifischen Rezeptormolekülen an und übertragen die Informationen. Man kann sie sich als eine Art chemischen Schlüssel vorstellen, mit dem im Körper bestimmte Umschaltfunktionen ausgelöst werden. Es ist durchaus denkbar, dass sämtliche Emotionen und Gefühlszustände von der situativ bedingten Ausschüttung bestimmter Neuropeptide abhängen. [17]
    Einige dieser hormonellen Botenstoffe werden im Zusammenhang mit der Kampf-oder-Flucht-Reaktion freigesetzt. So werden beispielsweise Adrenalin und Noradrenalin vom Nebennierenmark ausgeschüttet (dem Teil der Nebennierendrüsen, der auf der Niere sitzt), wenn die Nebennieren über die Nervenbahnen des sympathischen Nervensystems von den Signalen des Hypothalamus stimuliert werden. Beide Hormone sind für den plötzlichen Blutandrang und das gesteigerte Kraftgefühl in Notsituationen verantwortlich, eine Verfassung, die wir die habituelle oder automatische »Stressreaktion« genannt haben. Wenn wir unter Stress stehen, wird außerdem über den benachbarten Hypothalamus die Hirnanhangdrüse stimuliert. Sie veranlasst die Freisetzung weiterer Hormone, die an der habituellen Stressreaktion beteiligt sind und von denen einige aus der Nebennierenrinde stammen. Auch die Amygdala spielt in diesen Zusammenhängen eine Hauptrolle. Sie wird vor allem in Gefahren- und Risikosituationen aktiv.
     
    Eine Notiz im
Boston Globe
[18] demonstriert, welche unglaublichen Energien in einer Stressreaktion frei werden können:
    »Arnold Lemerand aus Southgate, Michigan, ist sechsundfünfzig Jahre alt. Vor sechs Jahren erlitt er einen Herzinfarkt. Seither vermeidet er es, schwere Gegenstände zu heben. Diese Woche jedoch, als der fünfjährige Philip Toth auf einer Baustelle in der Nähe seines Spielplatzes unter einem dort abgeladenen Eisenrohr eingeklemmt war, wuchtete Lemerand es hoch und rettete so das Leben des Jungen. Als er das Rohr anhob, glaubte er, es würde 150 oder 200  Kilogramm wiegen. Tatsächlich wog es nahezu eine Tonne, nämlich 800  Kilogramm. Später versuchten er, seine erwachsenen Söhne, Reporter und Polizisten, das Rohr gemeinsam anzuheben, waren dazu aber nicht imstande.«
    Die Geschichte zeigt nicht nur, welche Wucht in der Kampf-oder-Flucht-Reaktion liegt und welche Kräfte sie in einem Menschen schlagartig freizusetzen vermag, sondern auch, dass man in einer solchen Situation handelt, ohne lange nachzudenken. Es liegt auf der Hand, welche Überlebensvorteile die angeborene Kampf-oder-Flucht-Reaktion Mensch und Tier in einer Umgebung voller Gefahren und unvorhersehbarer Ereignisse bietet. Sie ist kein simpler Automatismus oder Reflex, sondern eine hochentwickelte, intelligente Fähigkeit des Körpers, uns durch komplexe und potenziell lebensbedrohliche Situationen zu führen. So gesehen keine schlechte Sache, und ohne diese Fähigkeit wären wir als Spezies auch nicht weit gekommen. Problematisch wird sie für uns dann, wenn sie außer Kontrolle gerät, sich nicht mehr in sinnvolle Bahnen lenken lässt und anfängt, über unser Leben zu bestimmen.
    In aller Regel werden wir im modernen Alltag nicht mehr mit lebensgefährlichen Situationen konfrontiert. Auf dem Weg zur Arbeit bekommen wir es kaum mit Berglöwen zu tun, und auch in unserem Familienleben oder bei anderen sozialen Kontakten sind wir keiner derartigen Bedrohung ausgesetzt. Aber noch immer sind wir anfällig dafür, wenn nicht darauf programmiert, in den Kampf-oder-Flucht-Modus zu wechseln, sobald wir uns irgendwie in unserer Sicherheit bedroht, von unserem Ziel abgebracht oder in unserem Gefühl von Freiheit

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