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Gesund durch Meditation

Gesund durch Meditation

Titel: Gesund durch Meditation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Kabat-Zinn
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und Selbstbestimmung beeinträchtigt fühlen. Es reicht schon aus, dass unerwartete Hindernisse auftauchen, während wir in unserem Wagen auf der Autobahn unterwegs sind, um uns zum Überlebenskampf bereitzumachen. Unser Geist fasst viele triviale Ereignisse noch immer als tödliche Gefahren auf, und eine beliebige Stresssituation, sei sie an sich auch harmlos und ohne weiteres handhabbar, wird für uns zu einer existenziellen Bedrohung.
    Häufen sich diese überschießenden Abläufe und werden habituell, kommt es schließlich zu einer Daueraktivierung unseres Kampf-/Flucht-Systems, und das hat gravierende physiologische und psychologische Auswirkungen. [19] Wir sind dann sozusagen prädestiniert für all die Probleme, die sich aus dem Zustand ständiger Übererregung ergeben, bis hinab zur Ebene der Chromosomen, auf der beispielsweise die Gene für die Glukokortikoid-Rezeptoren, wenn sie »angeschaltet« werden, uns chronisch anfällig für Stressauslöser machen, und jene Gene, die für die Produktion proinflammatorischer Zytokine sorgen, ihrerseits eine ganze Bandbreite entzündlicher Prozesse vorantreiben können. Dauererregung führt ebenfalls zu einer Verkürzung der Telomere und beschleunigt so den Alterungsprozess auf zellulärer Ebene. All diese Folgen der Dauererregung lassen sich vermeiden oder zumindest begrenzen und sogar rückgängig machen, wenn wir einen achtsamen Umgang mit belastenden Situationen erlernen, anstatt automatisch in eine ausgewachsene Stressreaktion zu verfallen.
    Bei einem Tier löst die Begegnung mit einem anderen Tier, das in ihm vielleicht seine nächste Mahlzeit zu sehen geneigt ist, unmittelbar die Kampf-oder-Flucht-Reaktion aus. Sie tritt aber auch auf, wenn es gegen einen Kontrahenten der eigenen Gattung seinen Rang verteidigen muss oder selbst einen ranghöheren Artgenossen herausfordert. Kommt es zwischen zwei Mitgliedern einer Gattung zum Kampf um die Position in der Rangordnung, wird die Kampf-oder-Flucht-Reaktion in Gang gesetzt, und die beiden Tiere kämpfen, bis eines von ihnen sich unterwirft oder flüchtet. Das unterlegene Tier kennt nun seinen Platz in der Hierarchie und durchläuft künftig nicht jedes Mal, wenn es auf das überlegene Tier trifft, dieselbe Reaktion, sondern respektiert dessen Rang. Es tritt aus dem Zustand der Übererregung heraus, und seine Physiologie kommt zur Ruhe.
    Obwohl Menschen in Situationen, die in Bezug auf ihre soziale Stellung stress- und konfliktträchtig sind, sehr viel mehr Wahlmöglichkeiten haben, stecken sie häufig in den immer gleichen Mustern von Kampf, Flucht oder Unterwerfung fest. In Situationen, in denen unsere soziale Position in Frage gestellt ist, reagieren wir physiologisch nicht sehr viel anders als Tiere und kennen sogar eine Art Totstellreflex, indem wir vor Schreck innerlich erstarren. Das ist nicht erstaunlich, da in Mensch und Tier dieselben biologischen Prinzipien wirksam sind.
    Ein Großteil der Belastungen, die wir Stress nennen, entsteht aufgrund realer oder eingebildeter Bedrohungen, die unserem sozialen Status gelten, unserem Selbstbild oder dem Bild, das wir anderen von uns zu vermitteln wünschen.
Schon das Gefühl, auf dieser Ebene bedroht zu sein, genügt, um die Kampf-oder-Flucht-Reaktion einsetzen zu lassen, auch wenn es sich dabei keineswegs um eine existenziell bedrohliche Situation handelt.
[20]
    Da die Kampf-oder-Flucht-Reaktion ein Zustand ist, der uns dazu treibt, impulsiv und unreflektiert zu handeln, sorgt er auf der Ebene menschlicher Beziehungen eher für zusätzliche Probleme, als unser Potenzial zur Problemlösung zu vergrößern. Was immer unser Selbstgefühl bedroht, kann diese Reaktion bis zu einem gewissen Grad auslösen. Ob es dabei um unsere gesellschaftliche Stellung geht, unser Ego, unsere tiefsten Überzeugungen, die Kontrolle über das Geschehen und die »richtige«, sprich unsere Art, die Dinge zu betrachten und zu handhaben – das sympathische Nervensystem geht mit uns durch und katapultiert uns, ob wir wollen oder nicht, in einen Zustand der Übererregung, der Kampf- oder Fluchtbereitschaft.
     
    Leider kann dieser Zustand hoher Erregung für die ganze Lebensführung prägend werden. Viele unserer Patienten beschreiben sich zu Beginn der MBSR -Kurse als praktisch ständig angespannt und nervös. Sie leiden unter chronischen Verspannungen, vor allem in den Schultern, im Gesicht, in der Stirn, im Kiefer und in den Händen. Dabei scheint jeder für ihn typische Körperzonen zu

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