Gesundheit, Herr Doktor!
für das Pfeilewerfen; der Wandschmuck bestand größtenteils aus tragbarer Sportausrüstung, die dem Rugby-Team des Spitals in die Augen gestochen hatte und somit als Andenken mitgenommen worden war. Aus Sex-Magazinen ausgeschnittene Mädchenfotos waren mit Reißzwecken dazwischen geklemmt, hinzugefügte Pfeile und Kommentare dienten der anatomischen und gynäkologischen Aufklärung des Besuchers. In einer Ecke stand ein zähnefletschender ausgestopfter Grizzlybär, Percy, St. Swithins Maskottchen, zu dessen Verteidigung nach Football-Verlusten viel Blut geflossen, Nasen eingedroschen und sogar vielversprechende Mädchen aufgegeben worden waren.
Auf einem Brett wurden die verschiedensten Dinge, wie Motorräder, Mikroskope, Gitarren, Magenspiegel, Verstärker, künstliche Hände und Füße zum Kaufangeboten. Sogar die Wandkritzeleien bewiesen medizinisches Fachwissen und lauteten in etwa: Mit Schizophrenie bist du nie allein. Ein Geburtshelfer ist ein Mann, der in anderer Männer Äcker Tränen sät. Wozu Hormone? Sie mußte die Ausgaben für ihr Bett amortisieren.
Wann immer die Bar geöffnet hatte - sie schien gegen die Lizenzverordnungen immun zu sein -, bewährte sie sich als machtvoller Polarisator im sozialen Leben des St. Swithin. Sie war Ärzten und Studenten, den meisten Bewohnern des Spitals und Frauen unter dreißig zugänglich. Mögen auch Krankenhäuser einen deprimierenden Anblick bieten — in ihnen überwiegt ja doch die übermütige Jugend. Selbst Chefärzte wie Sir Lancelot Spratt oder strenge Professoren hielten es nicht für unter ihrer Würde, die Hausbar des Spitals zu besuchen. Dr. Bonaccord, der unnahbare, weltfremde Psychiater des St.
Swithin, fand sich des öfteren ein, um seine inneren Spannungen zu lösen. Der Institutsvorstand hingegen versuchte regelmäßig den Betrieb stillzulegen.
«Tröste dich mit dem Gedanken, daß du einfach scheußliches Pech hattest», suchte Hugo Raffles Pip Mut zuzusprechen. «Schließlich standen ja die Chancen fünfzig zu fünfzig, daß du das falsche Auge trafst.»
Pip klagte: «Das Ganze wäre nie passiert, wenn du mir nicht von diesem Patienten erzählt hättest.»
«Wie undankbar von dir!» rief Tony Havens. «Nachdem wir uns solche Mühe gegeben hatten, die Versuchskaninchen aufzuspüren und dich ein bißchen auf Glanz zu bringen, als du wie ein fortgeschmissener Scheuerlappen ins Spital gewirbelt kamst.»
«Euch gelingt es immer, mich in Scherereien zu bringen», erklärte Pip, voll des Mitleids mit sich selbst. «Abgesehen von der Sache mit Sir Lancelots Operationsschuhen - habt ihr mir nicht erzählt, daß der Institutsvorstand seine hintere Stoßstange wegen der Autodiebe am Geländer des Spitals angekettet haben möchte-?»
«Das war doch ein harmloser Scherz, du Guter!» Hugo tätschelte ihm die Schulter. «Du wirst doch noch einen Spaß verstehen?»
«Nein, das kann ich nicht. Wirklich nicht. Ich bin sehr sensitiv. Wahrscheinlich von meiner Mutter her.»
«Ach, geh», redete Tony ihm zu. «Wir haben dich manchmal zum Narren gehalten, weil wir glaubten, daß es dir nichts ausmacht. Das hat dich doch in der Medizinischen Schule so beliebt gemacht.»
«Wir haben dich alle sehr gern», bestätigte Hugo.
«Ja, wirklich? Dann findet mir einen Job.»
Die beiden starrten gedankenvoll auf ihr Bier nieder. «Das ist ein Problem», räumte Tony ein. «Was tun eigentlich die meisten Ex-Medizinstudenten?»
«Sie klappern die praktischen Ärzte ab und versuchen, ihnen teure und fast ausnahmslos nutzlose Erzeugnisse der großen Drogenfirmen anzudrehen», klärte Hugo ihn auf. «Genauso wie die von der Liste gestrichenen Ärzte.»
Pip schüttelte den Kopf. «Das sagt mir nicht zu. Dazu bin ich zu ehrlich.»
«Wie wär’s mit der Kirche?» schlug Tony vor. «Du wolltest doch Psychiater werden. Religion ist heutzutage nichts anderes als angewandte Psychotherapie mit ein bißchen Singen an Sonntagen und Hausbesuchen an Wochentagen.»
«Oder mit dem Gericht?» fügte Hugo hinzu. «Du hast das Zeug für einen großartigen Leichenbeschauer.»
«Muß man da nicht auch Arzt sein?» wandte Pip ein. «Mein Vater sagt immer, die amtlichen Leichenbeschauer sind ausnahmslos Nieten, die es zustande gebracht haben, in zwei akademischen Berufen zu versagen, nicht nur in einem.»
Seine zwei Freunde tranken in betretenem Schweigen ihr Bier aus.
«Ein Skandal, daß die medizinischen Kenntnisse, die ich ja doch hier erworben habe, vergeudet sein sollen», klagte
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