Gesundheit, Herr Doktor!
Steißbein nicht von einem Ellenbogen zu unterscheiden.»
«Aber was wird er jetzt tun?» fragte sie, und ihre roten Wangen wurden noch röter.
«Das ist mir im höchsten Grade gleichgültig.»
«Und all seine Studienjahre sollen vergeudet sein?» beharrte sie, wobei ihr perfekt entwickelter Busen sich rascher hob.
«Das Ausmaß an medizinischen Kenntnissen, die Chipps sich am St. Swithin angeeignet hat, reicht nicht einmal aus, um den Fußboden des Spitals zu schrubben, das versichere ich dir. Eigentlich habe ich heute dem jungen Mann einen Dienst erwiesen. Ich habe ihn davon abgehalten, den ärztlichen Beruf in Schande und Verruf zu bringen.»
«Bist du eigentlich ganz sicher, daß du ihn nicht kennst, Faith?» fragte ihre Mutter und legte sorgfältig die letzte Gabel an ihren Platz. Sie blickte ihre Tochter prüfend an.
«Ach nein, Mami. Ich komme nie mit Studenten zusammen. Daddy mag das nicht .»
«Ich möchte dir nur Belästigungen durch betrunkene Sexomanen ersparen, die außerdem Autoraser sind», klärte sie der Vorstand väterlich auf. «Kannst du dich übrigens morgen abend von den Obdachlosen freimachen?» Faith nickte. «Ich hätte dich gerne neben deiner Mutter auf der Plattform, wenn ich meine Rede bei der Preisverteilung an die Schwesternschaft halte. Eine gute Gelegenheit für dich übrigens, dich endlich in gesitteter Gesellschaft zu bewegen.»
«Daddy, es wäre aber immerhin möglich, daß ich eine Verabredung habe.»
«Keine Ausflüchte. Es ist deine Pflicht, zu kommen, verstanden?»
«Ja, Daddy. Ich werde immer das tun, was ich für meine Pflicht halte. Das hast du mir beigebracht», sagte sie resigniert.
«Was tust du da in diesem Schrank, Josephine?» fragte der Vorstand.
«Ich suche den Sherry.»
«Ich sagte dir doch, daß ich heute nachmittag Prüfungen abhalten muß.»
«Aber ich nicht. Und schau mich nicht so vertrackt an.»
Die borstigen Augenbrauen des Vorstands schoben sich langsam zum Schädel hoch wie ein Paar Raupen, die an einer Rübe hinaufkriechen. «Willst du damit andeuten, daß ich ein Heuchler bin?»
«Ach nein», erwiderte seine Frau leichthin, während sie die Flasche zutage forderte. «Du bist lediglich in Gefahr, einer zu werden. Du sprichst voll des aufgeblasenen Standesdünkels von Studenten, die den ärztlichen Beruf in Schande bringen könnten, schlägst aber selbst aus deinem Beruf soviel Geld heraus wie nur irgend möglich, indem du deine Privatpatienten, die Ölscheichs, schröpfst.»
Der Vorstand starrte sie wütend an. «Du redest wie Pince, dieser miese kleine Gewerkschafter.»
«Das wäre gar nicht so schlimm. Er drückt immerhin die Ansichten von sehr vielen Leuten aus, die im St. Swithin arbeiten.»
«Mein Gott!» murmelte der Vorstand. «Meine Frau ist eine Kommunistin! Ich teile mein Bett mit einer Agentin Moskaus! Wenn diese Sherryflasche aus ist, gibt’s keine mehr; in diesen schweren Zeiten», warnte er sie, als sie sich und ihrer Tochter je ein Glas vollschenkte. «Ich kaufte nur deshalb eine Kiste Sherry, um vor dem letzten Budget dem Fiskus eins auszuwischen. Man kann sich im Leben nur an eine einzige Gewißheit halten: daß der Preis für Getränke ständig steigt.»
«Unsinn, Lionel. Du hast oben zahllose Flaschen versteckt, genug, um den Fiskussen aller politischen Schattierungen eins auszuwischen. Der ganze Dachboden gleicht einer Kegelbahn. Ich halte das für eine cuvée Healey», erklärte sie nach einem kurzen Nippen. «Obwohl ich glaube, daß wir noch nicht einmal die cuvée Barber, oder gar die cuvée Jenkins ausgetrunken haben. Die ganz besonders köstlich war, wie ich mich erinnere. Jetzt beruhige dich einmal, Lionel, und laß uns friedlich lunchen.»
«Ich bin nicht sehr hungrig, Mami», kündigte Faith an. «Ich habe eine sehr unruhige Nacht hinter mir.»
«Du solltest nicht mit etwas, das dir den Magen beschwert, ins Bett gehen», rügte der Vorstand.
«Eine solche Gelegenheit ergibt sich nicht oft, Daddy», erwiderte sie sinnenden Blicks.
Zur selben Stunde ließ sich Pip Chipps in niedergedrückter Stimmung am Bartisch der Hausärzte des St. Swithin nieder. Die Bar lag im Erdgeschoß der Ärzteunterkünfte, die mit dem Schwesternheim und der neuen Medizinischen Schule eine Gruppe von Gebäuden bildeten und, abgesondert vom dreistöckigen Spitalsbau, runde, grasbewachsene Plätze umrahmten. Die Bar war ein länglicher Raum von stattlicher Größe, ausgestattet mit einem Entsafter, Billardtischen und Zielscheiben
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