Gesundheit, Herr Doktor!
möglicherweise darauf abgestimmt ist, das andere Geschlecht zu beeindrucken», sagte Mr. Clapper tolerant, «aber wir müssen doch gewisse Grenzen einhalten, nicht wahr?»
«Ich werde es am nächsten Waschtag wechseln, Mr. Clapper.»
«Gut. Halten Sie sich stets vor Augen, daß Sie und ich die wichtigsten Personen im St. Swithin sind. Ohne uns würde der Betrieb knirschend zum Stillstand kommen. Noch schlimmer, er würde in Trümmer zerfallen wie ein fahrerloser Expreßzug, der in den Prellbock hineinrast. Vergessen Sie überdies nie, daß wir Staatsbeamte sind. Auch alle Ärzte im St. Swithin sind Staatsbeamte», fügte er mit einem verächtlichen Zug um die Lippen hinzu. «Aber sie wollen diese Tatsache nicht zur Kenntnis nehmen.»
«Wie Sie so oft sagen, Mr. Clapper: Nur Spinner werden Ärzte.»
Mr. Clapper nickte ernst. «Ein Doktor, nicht der Medizin, sondern der Philosophie, kommt Donnerstag von Hamburg hierher, um die Leistungen des Volksgesundheitsdienstes zu studieren. Ich möchte, daß Sie sich seiner annehmen, weil ich natürlich viel zu beschäftigt bin. Sie werden diese Aufgabe vielleicht ein wenig mühsam finden», fügte er offenherzig hinzu. «Einmal habe ich einen deutschen Doktor der Philosophie kennengelernt. Sehr angesehen auf seiner Universität. Ich fand ihn erstaunlich verrückt. Na, führen Sie jenen Mann im St. Swithin herum. Sie dürfen ihn auch zum Lunch in der Kantine einladen», sagte er großzügig, «solange Sie nicht die vorgeschriebene Zeit überschreiten und gegen die Tagesordnung verstoßen.»
«Ich will mein Bestes tun, um ihm einen guten Eindruck zu verschaffen, Mr. Clapper», erklärte Mr. Grout beflissen.
«Etwas Mühe werden Sie sich wohl geben müssen.» Ein verträumter Blick stahl sieh hinter Mr. Clappers Brillengläsern hervor. «Die Verwaltung unseres Volksgesundheitsdienstes.ist eine wirklich schöne Sache, Mr. Grout. Sie sind zum Glück zu jung, um sich an die schlimmen alten Tage zu erinnern, als unser Haus auf eine erschreckend schlampige Art geführt wurde. Da gab es etwas, das sich Verwaltungsrat nannte - lauter blutige Dilettanten! Wohlmeinende Bankiers aus der City; Ladies mit großen Hüten; als Sekretär ein begriffsstutziger alter Admiral oder General. Sie kamen einmal monatlich in der Gründerhalle zusammen und ließen sich mit Tee und Toast und Butter bewirten. Sie werden es mir nicht glauben, Mr. Grout, aber wenn das Spital einmal etwas brauchte — einen neuen Arzt, ein neues Skalpell, ein neues Laken-, mußten es uns die Verwaltungsräte, ohne jegliche staatliche Hilfe beschaffen.»
Er lehnte sich eindrucksvoll in seinem gutgepolsterten Lederfauteuil zurück. «Heutzutage jedoch, Mr. Grout, erfreut sich unser Volksgesundheitsdienst eines bis ins kleinste ausgeklügelten Verwaltungsapparats. Wir wissen genau, woran wir sind. Die Befehlskette reicht vom Amt für Volksgesundheit und Sozialversicherung über die regionalen Gesundheitsbehörden —»
Mr. Clapper streckte mit einer dramatischen Geste einen Arm aus, Mr. Grout wußte, jetzt kam Clappers Lieblingsmonolog: «- und über die Kulturgesundheitsbehörden - soweit sie sich auf Kultur überhaupt oder auf den Unterricht im speziellen beziehen -bis zu den Bezirksleitstellen! Zu den Kreisleitstellen! Und schließlich und endlich sickert die Macht, die vom Minister ausgeht, hinab und hinein in jedes einzelne Krankenhaus. Sämtliche Stellen sind mit Tausenden und Abertausenden hochqualifizierten - und, wie ich zugeben muß, hochbezahlten - Verwaltungsbeamten besetzt. Würde morgen unsere ganze Bevölkerung von der Pest ausgerottet, so wäre dennoch der Volksgesundheitsdienst durch seine perfekt arbeitende Maschinerie gerechtfertigt.»
«Neue Hausärzte oder neue Bettwäsche», überlegte Mr. Grout, «benötigen heutzutage die Bewilligung von vierzehn verschiedenen Instanzen.»
«Stimmt», erwiderte Mr. Clapper stolz. «Die staatliche Hilfe ist ungeheuer vielfältig.»
«Und braucht an die vier Monate.»
«Natürlich braucht es seine Zeit, eine Verbindung zwischen der Basis und der Spitze dieser genialen Konstruktion - und wieder zurück -zu schaffen. Dadurch wird aber sichergestellt, daß nichts mit überstürzter Hast geschieht. Dies ist für heute alles», sagte er mit der Miene einer Katze, die ihre Maus losläßt. «Vergessen Sie nicht das Hemd.»
«Einer der Studenten möchte Sie sprechen, Mr. Clapper.»
«Das ist nicht meine Sache, Mr. Grout. Schicken Sie ihn zum Vorstand des
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