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Gesundheit, Herr Doktor!

Gesundheit, Herr Doktor!

Titel: Gesundheit, Herr Doktor! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Vorstand starrte einen Augenblick lang die Zimmerdecke an. «Wo bin ich stehengeblieben? Ach ja. Ich wollte Ihnen von einem Buch erzählen, das ich neulich in irgendeinem Winkel gefunden habe. Will sagen: in der Bibliothek. Es heißt: <1984>. Ein recht erschreckendes Buch. Trotzdem halte ich es für weitaus gemütlicher als die Dinge, denen wir entgegengehen. Ich sehe unsere prächtige Stadt London —» er streckte die Arme aus — «als ein trostloses Gebiet, durch das Arbeiter mit zerbeulten Hüten umherirren; sie kommen aus gespensterhaften Stätten, den zu Fabrikräumen gewordenen Büros unserer großen Finanzinstitute, wo man händisch Plastik-Beefeater und Damenhöschen mit Union-Jack-Muster herstellt, die von japanischen Touristen gern gekauft werden. Die Bank of
    England wird zu einem Nationaldenkmal à la Stonehenge werden, die Börse ein Spielkasino —»
    «Lionel! Das alles kannst du nicht so daherreden», unterbrach ihn seine Frau Josephine, die an diesem Dienstag in seiner Gegenwart den Tisch deckte; sie wohnten nicht weit vom St. Swithin-Hospital in einem kleinen Haus.
    «Es war doch nur ein Spaß, Liebste.»
    «Deine Stimme klang aber gar nicht ironisch. Deine Rede für die Preisverteilung an die Schwesternschülerinnen ist viel zu düster. Du mußt sie bis morgen abend umschreiben.»
    «Ich kann nichts dafür, wenn die ganze Welt ihrem Untergang entgegeneilt», erwiderte der Vorstand gereizt und hieb mit der Faust auf den Eßtisch.
    «Du wirst noch ein Glas zerbrechen, Lieber. Du solltest die Gelegenheit nützen, einmal ein aufmunterndes Wort an alle zu richten, statt auszuposaunen, daß die Bremsen kaputt sind.»
    «Odi profanum vulgus», murmelte der Vorstand griesgrämig.
    «Was heißt das?»
    «Eine höfliche lateinische Umschreibung für: Mich ekelt vor dem Pöbel. Leider muß man heutzutage mit den Wölfen heulen. Pauschalreisen, Pauschalnahrung, Pauschalansichten im Fernsehen — O hallo, mein Schatz! Da du heute zum Lunch bei uns erwartet wirst, beschloß ich, auch hierherzukommen», begrüßte er seine Tochter Faith. «An und für sich habe ich mich schon durch die Speisenkarte bei Bertie Bunn hindurchgegessen.»
    «War der Tanzabend nett?» fragte ihre Mutter. Josephine war jünger als der Vorstand, hatte dunkles, sanftgewelltes Haar und einen sanftgewellten Busen. Der Vorstand hatte als junger Verwaltungsbeamter am St. Swithin Josephine in traditioneller Weise umworben. Sie war damals Schwester im Nachtdienst, und sein romantisches Gemurmel bei abgeschirmtem Licht, ja selbst sein Heiratsantrag waren nur durch einen einzigen Mißton gestört worden: durch die periodischen Winde der schlafenden Patienten.
    «Es war phantastisch», sagte Faith und küßte ihre Mutter.
    «Bei der Tombola habe ich einige hundert Pfund eingenommen. Den ganzen Abend lang haben mir die Männer das Geld gewaltsam aufgedrängt.»
    Der Vorstand runzelte die Stirn. «Nach einem Leben, das dem Dienst an der Menschheit geweiht war, beginne ich mich zu fragen, ob unsere Großmut gegenüber den Ausgestoßenen der Gesellschaft nicht am Ende unangebracht ist. Es wäre besser, alle diese Unterstandslosen und Spiritussäufer nach einer anderen Methode zu behandeln: etwa, indem man sie im Neunstundentag die Oxford Street umgraben ließe.»
    «War jemand dort, den du kanntest?» fragte Josephine.
    «Keine Seele.»
    «Ich würde euch gerne ein Gläschen Sherry anbieten», sagte der Vorstand. «Muß aber heute nachmittag nochmals Prüfungen abhalten und daher einen klaren Kopf behalten. Womit nicht gesagt ist, daß einige dieser Kandidaten nicht die ganze Heilsarmee zu Säufern machen könnten. Weißt du, was heute vormittag passiert ist?» fuhr er ergrimmt fort. «Sir Lancelot und ich mußten einen Burschen nicht nur durchfallen lassen - das wäre eine bei weitem zu leichte Strafe gewesen -, sondern mit Hausverbot belegen; es war dieser zerfahrene Chipps, diese Bedrohung der Menschheit — Was hast du?» fragte er, als Faith leise aufschrie.
    «Nichts, Daddy. Du hast nur so oft von ihm erzählt.»
    «Habe ich das? Naja, er hat immer die absurdesten Dinge zustande gebracht. Vergangene Weihnachten brachte er den gebratenen Truthahn mit einer Geburtszange auf die Station. Gott sei Dank, daß wir unter dieser besonders peinlichen Heimsuchung nicht mehr zu leiden haben werden.»
    «Aber er hätte doch ein wunderbarer Arzt werden können», sagte Faith, deren große graue Augen noch größer geworden waren.
    «Unsinn. Der weiß ein

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