Gesundheit, Herr Doktor!
Tony.
«Warum kann dann ich nicht als Gast eingetragen werden? Ich bezahle für meine Getränke, falls es das ist, wovor ihr Angst habt.»
Wiederum trat Schweigen ein. «Hör mal, Pip», fuhr Tony endlich fort, «wir würden dir liebend gerne unzählige Getränke spendieren. Dies aber nur in der Kneipe drunten an der Straßenecke. Siehst du, du bist nun einmal Krankenträger geworden. Und wenn wir dich hier trinken lassen, dann werden auch alle anderen Träger hierherkommen wollen.»
«Wir hatten schon mal Schwierigkeiten in dieser Beziehung», fügte Hugo hinzu. «Irgend so ein abscheulicher Zwerg drunten im Keller hatte doch tatsächlich die Stirn, den alten Clapper zu fragen, warum er und seine Arbeiterfreunde nicht hierherkommen und nach Herzenslust saufen dürften. Nun siehst du doch, was da von Grund auf faul ist? Kein Mensch hätte etwas dagegen, wenn dieser komische Kauz von einem Träger hierher Bier trinken käme. Aber auf die Arbeiter ist nicht nur die Devise einer-raus-alle-raus anwendbar, sondern auch einer-drin-alle-drin. Wenn wir dich einen Fuß über diese Schwelle setzen lassen, würden die blutgierigen Winkeladvokaten da unten sofort Profit daraus ziehen. Du solltest ihre selbstgefällige Art besser kennen als ich. Die Ärzte dieses Hauses würden deine Pioniertat teuer bezahlen müssen, lange nachdem du abgehauen bist, um dir einen anständigen Posten zu finden.»
«Wie hieß nur dieser gräßliche Arbeiter?» Tony dachte angestrengt nach. «Ja richtig, Sapworth. Ein arroganter Mistkerl, der irgendwas mit der Gewerkschaft zu tun hatte.»
Pip erhob sich von seinem Sitz. «Mr. Harold Sapworth ist keineswegs ein arroganter Mistkerl, oder auch nur ein Prolet. Er ist das Opfer eines gewissermaßen aus den Fugen geratenen Familienlebens, das jeden anderen, weniger widerstandsfähigen Menschen zum Selbstmord, wenn nicht zum Mord getrieben hätte. Er hat eine durchaus gesunde geistige Haltung und Lebenseinstellung. Und er liebt seine Mutter. Außerdem ist er zufällig einer meiner guten Freunde. Und einer meiner engsten Mitarbeiter in der Gewerkschaft.»
«Du bist doch nicht der OHA beigetreten?» fragten die beiden entsetzt.
«Ich bin zum Vertrauensmann gewählt worden», erwiderte Pip würdevoll.
«Pip, du leidest unter Wahnvorstellungen», rief Tony bestürzt. «Wie wär’s, wenn ich dich zu unserem Psychiater, Dr. Bonaccord, brächte?»
«Im Gegenteil, zum erstenmal in meinem Leben beginne ich klar zu sehen. Ich werde zu unserem Mr. Sapworth gehen und ihn in die nächste Kneipe auf ein Bier mitnehmen. Dort werden wir Pläne schmieden, um den unvermeidlichen Zusammenbruch des kapitalistischen Systems, wie ihn bereits der scharfsinnige, wenn auch etwas reizbare Karl Marx im Leseraum des Britischen Museums vorausgesagt hat, zu beschleunigen. - Wacht auf, Verdammte dieser Erde!» Er hob die geballte Faust. «Ihr habt nichts zu zerreißen als eure Ketten. -Euresgleichen aber werden wir durch den Ausguß spülen», rief er seinen Freunden zu.
Und verließ beschwingt die Bar.
Als Pip sich von Harold Sapworth getrennt hatte, war dieser auf einer Bank im Gemeinschaftsraum gelegen, in die Lektüre eines Magazins mit nackten Mädchen und in das Kauen von belegten Brötchen vertieft. Pip hatte angenommen, daß er seinen Kollegen bis zur nächsten Teepause in derselben Stellung antreffen werde. Doch zu seinem Erstaunen fand er Harold im gekachelten Korridor vor; Harold hielt einen riesigen, in Cellophan gewickelten Blumenstrauß mit flatternden bunten Bändern in der Hand.
«Man hat mir eine Arbeit angehängt», erklärte er mit düsterer Miene. «Ich soll dieses Grünzeug bei dem Suppenhuhn, der Brenda Bristols, abliefern.»
«Was, bei der Schauspielerin?» rief Pip aufgeregt. «Du Glückspilz! Mir würde es nichts ausmachen, zu ihr zu gehen. Vor allem, wenn sie aufrecht im Bett sitzt.»
«Na so was.» Harold saugte an seiner Daumenspitze. «Dann kannst du für mich einspringen. Ich hab gesagt, ich würde für die Kollegen einen Abstecher in das Wettbüro machen, bevor das erste Rennen losgeht, und ich möchte nicht gerne zu spät kommen. Das könnte für mich sehr peinlich werden, wenn einer von ihnen einen Sieger im Kopf hat.»
«Auf welcher Station liegt sie?» fragte Pip und nahm die Blumen an sich.
«Sie ist nicht im richtigen St. Swithin - so was wie die! Sie suhlt sich im Bertie-Bunn-Trakt. Du kennst doch den Weg.»
«Ich war noch nie in meinem Leben im Bertie Bunn drinnen», sagte
Weitere Kostenlose Bücher