Gesundheit, Herr Doktor!
herunter. Das junge Doktorchen wollte offenbar meine Füße hochgelagert haben. Aber zum Essen setze ich mich lieber in meinen großen Armstuhl. Drücken Sie auf den roten Knopf dort unten.»
«Auf diesen da?»
Lord Hopcroft drückte auf den roten Knopf. Unter gehorsamem Schnurren schnellte das Fußende des Bettes hoch und schleuderte die Kissen, den Wodka Martini und Private Eye auf den aprikosenfarbigen Teppich. «Wie ungeschickt von mir», bemerkte Lord Hopcroft, als Brenda Bristols im Flug den Gegenständen folgte.
«In Krankenhäusern passieren wahrscheinlich noch schlimmere Dinge», erwiderte sie philosophisch. Sie saß neben ihm auf dem Boden, während das Bett fast vertikal über ihnen stehenblieb.
«Was für teleskopformige Beine es hat», murmelte er, auf die Unterseite des Bettes starrend. «Meine zweite Frau hat ganz ähnliche gehabt. Sie behielt mich bei Cocktailpartys bemerkenswert scharf im Auge. Soll ich auf den gelben Knopfdrücken?»
Wieder ein surrendes Geräusch. Das Bett kippte jählings auf sie herab. «Wir sitzen in der Falle!» rief Seine Lordschaft unter heftigem Strampeln. «Dieses Haus wird von seinen technischen Errungenschaften absolut beherrscht.»
«Könnten Sie nicht den anderen Knopf mit einer Ihrer Zehen erreichen?» fragte Brenda Bristols gereizt; sie lagen beide dicht nebeneinander, wie gepreßte Blumen in einem Buch.
«Ich glaube nicht. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Ihnen zu warm bin. Ein sehr heißer Tag heute.» Es klopfte an die Tür. Lord Hopcroft rief angstvoll; «Niemand darf uns beide in dieser Situation erblicken!»
«Es ist nur das Mädchen mit meinem Lunch», sagte Brenda ungeduldig. «Und irgend jemand muß uns doch von hier herausholen, nicht wahr? Herein, bitte», schrie sie.
Pip in seinem braunen Mantel trat ein, die Blumen in der Hand.
Die Ansichten eines Menschen werden weniger durch Ereignisse beeinflußt, als durch die Stimmung, in welcher er sie erlebt. Karl Marx hätte sich bezüglich des Kapitalismus vielleicht mit John D. Rockefeller einigen können, wäre seine Theorie nicht im ariden, lederumkleideten Uterus des Leseraums des Britischen Museums herangereift. Pip hatte an diesem Nachmittag zum erstenmal die vor dem Bertram-Bunn-Trakt geparkten Rolls-Royce-Reihen bemerkt, die teuren Luxusläden entdeckt, die extravagante Innenausstattung beäugt, die sanfte Musik vernommen und die weichen Teppiche unter den Füßen gefühlt, hatte einigen Rollwagen ausweichen müssen, die mit einladend riechendem Essen und teuren Flaschen in Körben oder betauten Eimern beladen waren. Noch vor drei Tagen hätte ihm der Anblick dieser Dinge nicht mehr als ein Zucken seiner schmalen Schultern entlockt. Jetzt entdeckte er überall mehr Verhätschelung als Pflege, mehr Bequemlichkeit als Sorgfalt, mehr finanzielle als ärztliche Geschicklichkeit. In der Stimmung, die seit dem Morgen in ihm schwelte und brannte, fand er es erschreckend ungerecht, daß Menschenwesen mit genau denselben Leiden, die im selben Spital dieselbe Therapie erhielten, so grundverschiedenen Bedingungen unterworfen wurden.
«Verzeihung», sagte er. (Privatpatienten huldigten offenbar gerne lasziven Vergnügungen, die sicherlich nicht die Billigung der Stationsschwester gefunden hätten.) «Darf ich die Blumen hierlassen?»
«Mein Bekannter, ein Gentleman, und ich finden unsere Situation nicht sehr vergnüglich», sagte Brenda Bristols.
«Wir sitzen in den Fängen dieses Bettes fest», sagte Lord Hopcroft. «Könnten Sie uns den großen Dienst erweisen, irgendeine Hilfe herbeizuholen?»
Als Medizinstudent hatte Pip auf St. Swithins Stationen gelernt, alle möglichen alarmierenden Situationen zu analysieren und dann rasch entsprechende Hilfsaktionen einzuleiten. Er ließ den Blumenstrauß fallen und drückte auf einen in der Wand eingelassssenen rotumrandeten Knopf, der als «Notruf» bezeichnet war. Sofort flammte ein Licht auf und vor der offenstehenden Türe schrillte eine Klingel. Pip blieb mitfühlend an Ort und Stelle stehen und wartete, daß jemand käme. Es kam niemand.
«Könnten Sie sich nicht etwas aktiver an unserer Rettung beteiligen?» fragte Brenda Bristols in klagendem Ton.
Pip trat an die andere Bettseite. «Hier ist ein Hebel», kündigte er an und begann, ihn zu betätigen. Während sich daraufhin die beiden Gefangenen freikämpften, ertönte eine aufgebrachte Stimme auf dem Korridor: «Warum müssen Patienten ständig irrtümlich auf den Notrufknopf drücken? Als hätte
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