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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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der Röhrenjeans hatte er mehr Ähnlichkeit mit einem Punkrocker als mit einem Regierungsvertreter. Er prostete Graves zu und sagte: »Chagalinsky hat erwähnt, dass Sie wissen, wer die Bombe gezündet hat.«
    Chagalinsky. Zumindest am Antisemitismus des alten Regimes schien sich bis heute nichts geändert zu haben.
    »Das ist richtig«, sagte Graves.
    »Ich würde gerne den Namen erfahren.«
    »Alles zu seiner Zeit. Warum haben sie Russell den Tipp mit dem geplanten Anschlag in der Victoria Street gegeben? Die Sache mit ›Victoria Bear‹ stammt doch von Ihnen, nicht wahr? Was genau haben Sie über den Anschlag gewusst?«
    »Nicht viel mehr als Sie. ›Victoria Bear‹ stand auf einem Zettel, den wir aus Shvets Mülleimer gefischt haben. Auf dem gleichen Zettel standen auch einige Namen von Atomkraftwerken in Westeuropa. Auf der Grundlage dieses Zettels und gewisser Informationen, die wir bei abgehörten Gesprächen zwischen Shvets und seinen Männern aufschnappen konnten, sind wir zu dem Schluss gelangt, dass er einen Anschlag auf ein Atomkraftwerk plant. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass dieser Anschlag schon sehr bald stattfinden wird. Ich fürchte sogar, dass es bereits zu spät ist, um noch eingreifen zu können. Hätten wir den Anschlag auf Iwanow verhindern können, hätten wir vielleicht noch eine Chance gehabt.«
    »Wer sind Shvets Männer? Sie sprechen davon, dass Shvets hinter den Anschlägen steckt, aber Sie gehören doch auch zu seinen Leuten.«
    »Ja und nein. Ich bin FSB-Agent, aber mit dieser Operation habe ich nichts zu tun. Es ist Shvets ganz persönliches Vorhaben, das von einer Splittergruppe in die Tat umgesetzt wird, die allein Shvets Befehlen folgt. Die Gruppe nennt sich Abteilung S.«
    »Von einer solchen Gruppe habe ich noch nie gehört«, sagte Graves.
    »Das ist ja das Ziel, das sie verfolgen.«
    »Haben Sie eine Ahnung, wo der Anschlag auf das Atomkraftwerk verübt werden soll?«
    »Ich persönlich würde auf Frankreich tippen. In den letzten Tagen hat sich in Paris einiges getan. Gelder wurden transferiert, Fahrzeuge dorthin verfrachtet, und Quartiere stehen plötzlich nicht mehr zur Verfügung. Ich habe versucht, ein bisschen mehr herauszufinden, wurde aber von Shvets' Männern zurückgepfiffen.« Kempa trank einen weiteren Schluck und kaute auf einem Eiswürfel. »Aber wenn ich an Shvets' Stelle wäre, würde ich eine hochmoderne Anlage auswählen. Ein Atomkraftwerk, das als absolut sicher gilt. Ich würde versuchen, mit meiner Aktion die ganze Welt in Angst und Schrecken zu versetzen.«
    »Worum geht es ihm eigentlich?«
    »Shvets? Alle wissen, dass er vorhat, der nächste russische Präsident zu werden. Wenn Sie mich fragen, läuft für ihn alles nach Plan. Gestern ist Lev Timken gestorben. Es heißt, dass er beim Sex mit seiner Geliebten einen Herzanfall erlitten hat. Und Michail Borzoi ist heute Nachmittag bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Damit bleiben nur noch Iwanow und Shvets als ernstzunehmende Anwärter auf das Präsidentenamt.«
    »Das ist vielleicht Shvets' langfristiges Ziel, aber ich frage mich, worum es ihm bei diesem Anschlag geht. Was will er damit bezwecken?«
    »Er versucht, die Gans zu schützen, die goldene Eier legt.«
    »Sprechen Sie vom Öl?«
    »Vom Ölpreis. Er ist auf einem historischen Tiefstand. Alle befürchten das Schlimmste, weil der Westen wieder verstärkt auf Atomstrom setzt. Shvets will diese Entwicklung aufhalten. Ein Reaktorunfall dürfte genügen. Danach wird dem Westen ein für alle Mal die Lust am Bau von Kernkraftwerken vergehen.«
    »Sie meinen ein neues Tschernobyl?«
    »Wenn Sie Glück haben«, sagte Kempa. »Wenn Sie Pech haben, wird es schlimmer. Viel schlimmer.«
    »Sie gehören nicht gerade zu den Menschen, die gute Neuigkeiten überbringen, stimmt's?«
    »Niemand kommt zu einem Russen, um gute Neuigkeiten zu hören.« Kempa zuckte mit den Schultern und winkte Graves näher zu sich heran. »An Ihrer Stelle würde ich mir überlegen, wie sie ins Kernkraftwerk hineinkommen. Um einen Vorfall zu initiieren, müssen sie bis ins Innere des Kraftwerks vordringen.«
    »Sie meinen, sie müssen einen ihrer Leute ins Kraftwerk einschleusen?«
    »Genau.«
    »Aber bei dem Anschlag auf Iwanows Autokonvoi ging es einzig und allein darum, an die Notfallcodes heranzukommen.«
    Kempa verzog spöttisch das Gesicht. »Mit diesen Codes können sie überhaupt nichts ausrichten, erst recht nicht, wenn die Kraftwerke bereits alarmiert worden

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