Getäuscht - Thriller
nackte Brust und jagte ihm zehntausend Volt durch den Körper. Grégoire bäumte sich auf und blieb dann regungslos liegen. Emma klebte ihm einen Streifen Isolierband über den Mund. Mit der linken Hand zog sie die Decke zurück, ließ den Elektroschocker fallen und griff nach seinen schlaffen Armen, um ihm die Handschellen überzustreifen. Sie zog ihm den rechten Arm hinter den Rücken. Als sie es beim linken Arm versuchte, musste sie Grégoire ein wenig anheben. Während Emma sich mit dem schweren, leblosen Körper abmühte, erwachte Grégoires Frau und setzte sich ruckartig im Bett auf. Sofort ließ Emma die Arme des Bewusstlosen los und tastete im Dunkeln nach dem Elektroschocker, doch die Waffe war unter die zurückgeschlagene Bettdecke gerutscht. Grégoires Frau stieß einen gellenden Schrei aus. Emma schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht, sprang aufs Bett, drückte sie in die Kissen zurück und klebte ihr einen Streifen Isolierband über den Mund. Aber die Frau wehrte sich verbissen, und die Angst um ihre Familie verlieh ihr zusätzliche Kräfte. Sie stieß Emma mit aller Kraft vom Bett, sodass sie das Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf auf den Fußboden prallte. Zwar rappelte Emma sich sofort wieder auf, aber sie war benommen, und vor ihren Augen drehte sich alles. In der Zwischenzeit war Grégoires Frau aus dem Bett geklettert und versuchte, sich den Klebestreifen vom Mund zu ziehen.
Erledige sie.
Emmas Hand glitt in ihre Werkzeugtasche. Ihre Finger schlossen sich um den Griff ihrer Pistole. Mit dem Daumen entsicherte sie die Waffe. Plötzlich tauchte vor ihrem inneren Auge das Bild des kleinen Mädchens auf, das das Fahrrad im Garten fallen ließ und zur Haustür rannte. Emma lockerte den Griff um die Waffe. Mit einer schnellen Bewegung griff sie ins Haar der Frau, zerrte sie zu Boden, ging neben ihr in die Hocke und rammte ihr den Ellenbogen gegen die Nase. Die Frau erschlaffte.
Schwer atmend richtete Emma sich auf und nahm den Elektroschocker vom Bett. Der Schweiß lief ihr über den Rücken. Sie drehte sich zu Grégoire um, der sich zum Glück immer noch nicht rührte. Sie legte ihm die Handschellen an und fesselte seine Füße mit Isolierband. Als sie mit ihm fertig war, ging sie zu der Frau und fesselte sie genauso wie Grégoire.
Die Kinder im anderen Zimmer schliefen noch immer tief und fest. Emma trat an das Bett des Jungen. Das Nachtlicht schien ihm ins Gesicht. Emma betrachtete seine langen Wimpern, die zarten Wangen und die blonden Locken. Drei Jahre alt. Er würde alles wieder vergessen.
Plötzlich drang ein Geräusch aus dem Elternschlafzimmer an ihre Ohren. Eine Art Grunzen. Offenbar versuchte der Mann, sich von seinen Fesseln zu befreien. Augenblicke später hörte Emma, wie Grégoire vom Bett rollte und mit einem dumpfen Laut zu Boden fiel.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Jungen und handelte schnell und entschlossen. Klebeband. Handschellen. Sie bemühte sich, ihm nicht in die angsterfüllten Augen zu blicken.
Dann erwachte das Mädchen, das sechs oder sieben Jahre alt war, setzte sich kerzengerade im Bett auf und starrte Emma an, als sähe sie eine Gestalt aus ihren schlimmsten Alpträumen. Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Kurz entschlossen riss Emma einen Streifen Isolierband ab, klebte ihn dem Mädchen auf den Mund und fesselte ihre Hände mit den Handschellen. Als sie fertig war, verließ sie das Kinderzimmer, schloss die Tür hinter sich und huschte zurück ins Elternschlafzimmer, wo Grégoire sich gerade mühsam aufrappelte.
Emma wusste, dass sie sich keinen Fehler leisten durfte.
Leise schloss sie die Schlafzimmertür und griff nach ihrer Pistole.
66.
Als Charles Graves sein Büro betrat, war er ziemlich von der Rolle. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und rief seinen Assistenten an. »Verbinde mich sofort mit Delacroix in Paris«, sagte er. Delacroix war sein Verbindungsmann beim französischen Geheimdienst. »Falls er schon im Bett liegt, dann weck ihn. Es handelt sich um einen Notfall.«
»Wird sofort erledigt.«
Graves legte auf und lockerte seine Krawatte. Er fühlte sich unwohl in seiner Haut, weil er seinen Kollegen mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißen musste, obwohl er nur spärliche Informationen für ihn hatte. Er hätte ebenso gut einen Tsunami ankündigen können, ohne zu wissen, wo genau er auf die französische Küste traf.
In Frankreich gab es mehr als siebzig Atomkraftwerke. Kempa ging davon aus, dass der Anschlag in
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