Getäuscht - Thriller
zärtlich über seine Wange. Die Hand über seinem Mund lockerte ihren Griff. Jonathan drehte sich um und sah, dass Emma einen Finger auf die Lippen gelegt hatte. Er gab ihr mit einem Nicken zu verstehen, dass er begriffen hatte, und blieb mucksmäuschenstill stehen, während sie das Zimmer mit einem kleinen, rechteckigen Gerät absuchte, das sie prüfend an die Wände, die Lampen, den Fernseher und das Telefon hielt. Sie fand irgendetwas hinter einem Reiterbild und hinter dem Make-up-Spiegel im Badezimmer. Nachdem sie ihre Suche abgeschlossen hatte, legte sie die Abhörgeräte in ein Glas und füllte es am Waschbecken mit Wasser. Dann schloss sie die Tür zum Bad und kam durchs Zimmer auf ihn zu.
Sie war von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Schwarze Jeans, schwarzes Shirt, flache schwarze Schuhe. Ihre Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ihre Wangen waren gerötet, und sie trug kein Make-up. Ihre Hand strich über seine bloße Brust. »Ich hatte mir geschworen, es nicht zu tun.«
»Was?«
Sie küsste ihn mit geöffneten Augen, trat einen Schritt zurück und zog ihr Shirt über den Kopf. Ohne den Blick abzuwenden, öffnete sie ihren BH und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann zog sie die Jeans aus.
»Wie bist du hier reingekommen?«, fragte er nachher.
»Ich habe einen Zimmerschlüssel.«
Irgendwie überraschte ihn das nicht. »Und die Kette?«
»Kinderspiel. Ich bring's dir irgendwann mal bei.«
»Natürlich«, sagte er. Ein Kinderspiel, so wie ihre Kunstfertigkeit, mit verbundenen Augen eine Pistole auseinanderzunehmen. »Ich dachte, wir treffen uns morgen wieder.«
»Mangel an Disziplin. Ich habe nichts zu meiner Verteidigung vorzubringen, Sir.« Emma lag zwischen den zerwühlten Bettlaken. »Das hier wird härter, als ich dachte.«
»Was meinst du?«
»Das, was ich dir sagen muss.«
Jonathan drehte sich auf die Seite und blickte Emma tief in die Augen. »Ich bin hier«, flüsterte er. »Erzähl es mir.«
Emma strich mit dem Finger zärtlich über seine Wange. »Ich muss verschwinden.«
»Du meinst, für noch einmal sechs Monate?«
»Länger.«
»Bist du sicher? Woher willst du das wissen?«
»Mir bleibt keine andere Wahl.«
»Du bist doch schon untergetaucht«, wandte Jonathan ein. »Du hast gesagt, du müsstest ein paar Dinge regeln und dass wir uns wiedersehen, wenn du in Sicherheit bist.«
»Ich hatte gehofft, es könnte so funktionieren.«
»Und wie lange wird es diesmal dauern?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ein Jahr? Zwei?«
»Ich weiß es wirklich nicht. Mindestens ein Jahr. Vielleicht länger. Vielleicht sogar für immer.«
Jonathan betrachtete sie nachdenklich und suchte in ihrem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen von Unsicherheit. Aber sie wirkte fest entschlossen - dieselbe resolute, eigensinnige Frau, in die er sich einst verliebt hatte. »Es muss noch einen anderen Weg geben.«
»Es gibt keinen. Das weißt du so gut wie ich.«
»Tu nicht so, als hätte ich in dieser Frage irgendein Mitspracherecht. Es ist allein deine Entscheidung. Es ist dein verdammtes Leben.« Zornig schlug er die Decke zurück und stand auf.
»Das ist es eben nicht«, erwiderte Emma. »Ich habe mein Leben vor zehn Jahren an andere verkauft.«
»Warum?«
»Aus Pflichtgefühl. Dem Wunsch, dazuzugehören und etwas von mir einzubringen. Aus denselben Gründen, aus denen wir alle uns zu irgendetwas verpflichten.«
»Du hast viel mehr getan.« Er wandte sich ihr zu und streckte die Hand nach ihr aus. »Die Regierung sollte dir auf Knien danken.«
Emma wandte den Blick ab. »Division hat wegen des Einsatzes mächtig Ärger gekriegt. Der Kongress wollte die Organisation sofort auflösen, aber der Präsident hat ihnen noch eine letzte Chance gegeben.«
»Eine letzte Chance? Hat er sie noch alle?«
»Ich hab's dir doch gesagt«, erwiderte Emma. »Division ist wie die Hydra. Wenn du einen Kopf abschneidest, wachsen sofort zehn neue. Division erfüllt verschiedene Aufgaben. Der Präsident wird sich hüten, seine Möglichkeiten voreilig einzuschränken.«
»Hast du mit ihnen geredet? Mit Division?«
»Machst du Witze?«
»Ich meine ja nur ...«
»Was meinst du?«
»Ich meine, mit all deinen Kontakten. Ich dachte, du findest vielleicht einen Weg, ihnen zu erklären, weshalb du eigenmächtig gehandelt hast. Sie müssen es doch einsehen.«
»Ich habe sie verraten, Jonathan. Ich habe nicht nur eigenmächtig gehandelt, ich habe gegen sämtliche Regeln verstoßen. Ich habe versucht, sie alle
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