Getäuscht - Thriller
davongekommen war? Weil sie es ihnen heimgezahlt hatte?
»Ich könnte irgendwo untertauchen«, schlug er vor. »Mich verkriechen. In ein paar Jahren werden sie das Interesse an mir verlieren.«
Emma schüttelte den Kopf.
»Es muss doch einen Weg geben«, sagte er beharrlich.
Emma kam zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihm tief in die Augen. »Hast du überhaupt eine Ahnung, wie schwierig es war, heute Nacht zu dir zu kommen? Kannst du dir auch nur ansatzweise vorstellen, welches Risiko ich eingegangen bin? Natürlich weiß ich, wie ich eine verschlossene Tür aufbekomme, aber ich kenne längst nicht jeden Schlägertypen in dieser Stadt. Weißt du, was sie dir als Erstes beibringen? Dass du bei jedem Einsatz nur eine einzige Chance hast, deine erste und letzte Chance zugleich. Ich habe meine sieben Leben bereits ausgereizt, Jonathan. Jeder neue Tag könnte mein letzter sein. Diese Aktion heute Nacht war mehr als töricht. Das Problem ist nur, dass ich es wusste und es trotzdem getan habe. Ich musste dich einfach sehen. Du bist gefährlich, Jonathan. Du bist mein Verhängnis.« Emma wandte sich ab und ging zum Fenster. Ihre Silhouette hob sich vor dem Licht des anbrechenden Tages ab, und die Vorhänge strichen bei jedem Windstoß sanft gegen ihre nackten Beine. Sie warf einen Blick über die Schulter und lächelte wehmütig. »Nach dieser Nacht wird Emma Ransom nicht mehr existieren.«
Jonathan stellte sich hinter sie und schlang die Arme um ihren Körper. Er hatte schon einmal um sie getrauert und wusste, was es bedeutete, einen geliebten Partner zu verlieren. Aber das hier war schlimmer. Der Gedanke, dass Emma irgendwo da draußen war, dass er sie aber nicht wiedersehen konnte, war unerträglich. Ein Gefühl unendlicher Traurigkeit erfasste ihn.
Lange Zeit standen sie am Fenster und beobachteten, wie die Sonne über den Bäumen des Hyde Park aufging. Auf den verschlungenen Parkwegen tauchten gelegentlich Reiter auf ihren Pferden auf. Langsam erwachte die Stadt, und der Lärm des morgendlichen Berufsverkehrs nahm zu.
Emmas Handy klingelte. Sie löste sich aus Jonathans Armen, kramte in ihrer Jeanstasche nach dem Handy, warf einen prüfenden Blick auf die Nummer und musterte Jonathan abschätzend. Innerhalb weniger Sekunden hatte ihre Körpersprache sich völlig gewandelt. Jetzt betrachtete sie ihn mit einem abweisenden Ausdruck, als wäre er ein Fremder oder, schlimmer noch, ein Feind.
Emma drehte sich um und ging ins Bad. Erst nachdem sie die Tür fest hinter sich verschlossen hatte, nahm sie den Anruf entgegen. Als sie zwei Minuten später zurückkam, war ihre Verwandlung vollständig. Sie hatte nichts mehr von Emma Ransom an sich, sondern war in die Rolle der Frau geschlüpft, die Jonathan unter dem Codenamen »Nachtigall« kennen gelernt hatte - eine ehemalige Agentin der Vereinigten Staaten und mittlerweile auf der ganzen Welt gesucht.
»Ich muss gehen«, sagte sie und sammelte ihre Kleider ein.
»Wer war das?«
»Das geht dich nichts an.«
Emma wollte an ihm vorbei, aber Jonathan stellte sich ihr in den Weg. »Wo willst du hin?«
»Geh mir aus dem Weg.«
»Erst sagst du mir, wo du hingehst.«
Emma wandte den Blick ab und wollte an Jonathan vorbei. Er packte sie am Arm. »Ich hab dich was gefragt.«
»Und ich habe dir bereits eine Antwort gegeben. Es geht dich nichts an. Bitte, Jonathan ...«
»Du bist nicht gekommen, um dich von mir zu verabschieden. Du steckst mitten in einer Operation, oder wie immer das bei euch heißt. Ich kann es in deinen Augen sehen. In einem Moment verhältst du dich wie Emma, meine Frau, im nächsten Moment bist du durch und durch Agentin. Mit wem hast du eben am Telefon gesprochen?«
»Lass mich los, Jonathan.«
Ihre Stimme klang völlig ungerührt, was Jonathan noch mehr ärgerte. Er zog sie mit einem Ruck zu sich, sodass ihr die Kleidungsstücke aus der Hand fielen. »Ich will wissen, wohin du gehst!«
Plötzlich spürte er, wie er den Boden unter den Füßen verlor. Seine Hände suchten vergeblich nach einem Halt. Er fiel mit dem Rücken auf den Teppich. Die Wucht des Aufpralls raubte ihm für einen Moment den Atem.
Emma suchte hastig ihre Kleider zusammen und ging zurück ins Bad. Sie schlug die Tür hinter sich zu und drehte den Schlüssel herum.
Jonathan rappelte sich mühsam auf und taumelte zur Badezimmertür. Falls Emma glaubte, die Sache wäre damit erledigt, täuschte sie sich gewaltig. Er hatte es gründlich satt, dass sie über
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