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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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mit dir zu hibernieren.«
    Aria konnte kaum glauben, dass sie ein so albernes Lied in Gegenwart von Menschen sangen, die durchnässt und starr vor Angst waren – während um sie herum Äthertrichter herabgingen. Roar stieg voll ein und schlug die Saiten in einem fröhlichen Rhythmus. Aria zwang sich, seine Begeisterung zu erwidern, als sie das Duett weitersangen.
    Eigentlich rechnete Aria damit, dass die Dorfbewohner sie jeden Moment mit Bechern oder Schuhen bewerfen würden. Doch stattdessen hörte sie ein unterdrücktes Prusten und sah dann aus dem Augenwinkel ein paar Leute grinsen. Als sie den Refrain gemeinsam sangen – wozu ein melodisches Schnurren gehörte –, lachten ein paar in der Halle laut, und endlich entspannte sich Aria und erlaubte sich, etwas zu genießen, was sie wirklich gut konnte.
Sehr
gut sogar. Sie hatte schon ihr ganzes Leben lang gesungen, und es fühlte sich vollkommen natürlich an.
    Nachdem Roar die letzten Akkorde gespielt hatte, herrschte einen Augenblick lang vollkommene Stille im Kochhaus, bis die Geräusche des Sturms zurückkehrten und die Leute sich wieder ihren Nachbarn zuwandten. Aria schaute kurz in die Gesichter um sie herum und schnappte verschiedene Gesprächsfetzen auf.
    »Der albernste Song, den ich je gehört hab.«
    »Aber witzig.«
    »Was ist ein Yeti?«
    »Keine Ahnung, aber der Maulwurf singt wie ein Engel.«
    »Ich hab gehört, sie soll River gefunden haben.«
    »Glaubst du, sie wird noch etwas singen?«
    Roar stupste sie mit der Schulter an und hob fragend eine Augenbraue. »Und? Wird sie noch etwas singen?«
    Aria setzte sich kerzengerade und füllte ihre Lungen mit Luft. Die Leute hielten »Arctic Kitten« also für etwas Besonderes? Dann hatten sie keine Ahnung.
    Sie lächelte. »Ja, das wird sie.«

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Peregrine
| Kapitel Neun
    Zum ersten Mal seit Monaten wurde Perry von niemandem bemerkt, als er das Kochhaus betrat: Alle Augen waren auf Aria und Roar gerichtet. Er schlich sich in den Schatten des großen Raums, lehnte sich an die Wand und biss die Zähne zusammen, als ihm der Schmerz durch den Arm schoss.
    Roar hockte auf einem der langen Tische in der Mitte des Raums und spielte Gitarre. Neben ihm saß Aria und sang, ein entspanntes Lächeln auf den Lippen und den Kopf zur Seite geneigt. Ihre schwarzen Haare ergossen sich in nassen Strähnen über ihre Schultern.
    Perry kannte das Lied nicht, aber die Art, wie sie und Roar manchmal im Duett und dann wieder solo sangen – wie zwei Vögel im Flug –, ließ vermuten, dass dieses nicht das erste Mal war. Es überraschte ihn nicht, sie zusammen singen zu sehen. Während ihrer gemeinsam verbrachten Kindheit hatte Roar ständig Lieder über verrückte Dinge komponiert, um Liv zum Lachen zu bringen. Töne verbanden Roar und Aria, genau wie Düfte zwei Witterer miteinander verbanden. Aber ein anderer Teil tief in ihm drin ertrug es nicht, dass sie sich amüsierten, während er gerade fast ertrunken wäre.
    Reef und Gren kamen von der anderen Seite des Raums zu ihm herüber und erregten dadurch Arias Aufmerksamkeit. Sie unterbrach sich und lächelte Perry unsicher an. Roar legte die Hände auf die Gitarre und schaute erwartungsvoll. Inzwischen hatten alle in der Halle Perry bemerkt, und ein Raunen ging durch die Menge.
    Perrys Puls ging schneller, und er spürte, wie sein Gesicht zu glühen begann. Er zweifelte nicht daran, dass alle wussten, was draußen bei der Mole passiert war. Perry sah die Enttäuschung und die Sorge auf ihren Gesichtern. Witterte sie in den angespannten Stimmungen, die das Kochhaus beherrschten. Die Tiden hatten schon immer gesagt, er sei leichtsinnig und unbesonnen. Sein Sprung ins Wasser, um Old Will zu retten, würde sie in dieser Meinung nur bestätigen.
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und spürte erneut einen stechenden Schmerz in seinem Schultergelenk. »Kein Grund, das Lied zu unterbrechen«, sagte er und verabscheute dabei den Klang seiner eigenen Stimme, ganz rau und heiser vom vielen Meerwasser, das er geschluckt und ausgehustet hatte. »Singst du noch etwas?«
    Aria antwortete, ohne zu zögern, den Blick fest auf ihn geheftet: »Ja.«
    Dann stimmte sie ein Lied an, das er kannte: Sie hatte es für ihn gesungen, als sie zusammen bei Marron gewesen waren. Es handelte sich um eine geheime Botschaft, eine Erinnerung – hier unter Hunderten von Menschen – an einen Moment, der nur ihnen beiden gehört hatte.
    Perry lehnte den Kopf gegen die Wand, schloss die Augen und

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