Getrieben - Durch ewige Nacht
Mundwinkel zuckten. »Du hast Flea gesehen.«
»Das ist nicht komisch«, protestierte Cinder, musste aber selbst ein Grinsen unterdrücken.
»Also, Flea, der teuflische Hund, hat dir Angst eingejagt, und die Lampe hat das Feuer verursacht? Es lag nicht daran … was du mit dem Äther machst?«
Cinder schüttelte den Kopf. »Nein.«
Perry wartete, ob der Junge noch etwas sagen wollte. Es gab ungefähr hundert Dinge, die er gern über dessen besondere Fähigkeit erfahren hätte. Darüber, wer er war. Aber Cinder würde erst reden, wenn er dazu bereit war.
»Schickst du mich jetzt fort?«
»Nein, ich möchte dich hierhaben. Aber wenn du dazugehören willst, dann musst du
ganz
dazugehören. Du kannst nicht einfach weglaufen, wenn etwas schiefgeht, oder dir mitten in der Nacht etwas zu essen holen. Und du musst deinen Beitrag leisten, wie alle anderen auch.«
»Aber ich weiß nicht, wie.«
»Was meinst du?«
»Wie ich meinen Beitrag leisten soll. Ich kann nichts, absolut gar nichts.«
Perry schaute ihn prüfend an. Der Junge konnte nichts,
absolut gar nichts
? Es war nicht das erste Mal, dass Cinder sich so merkwürdig ausdrückte. »Dann haben wir ja einiges zu tun. Ich sage Brooke, sie soll dir einen Bogen besorgen und dir Unterricht geben. Und morgen spreche ich mit Bear. Er braucht alle Hilfe, die er kriegen kann. Und noch etwas, Cinder: Wenn du bereit bist, dann möchte ich alles hören, was du zu erzählen hast.«
Cinder runzelte die Stirn. »Was ich worüber zu erzählen habe?«
»Über dich.«
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Aria
| Kapitel Zehn
»Du weißt, wie man Schmerzen behandelt«, meinte Molly.
Aria schaute von dem Verband in ihrer Hand auf. »Danke. Butter ist aber auch eine gute Patientin.«
Die Stute blinzelte träge, als sie ihren Namen hörte. Der Sturm letzte Nacht hatte ihren Fluchtinstinkt ausgelöst. Außer sich vor Panik, hatte sie gegen die Wände ihrer Box ausgeschlagen und sich dabei vorn am Bein eine lange Schnittwunde zugezogen. Um Molly zu helfen, die von Schmerzen in den Händen geplagt wurde, hatte Aria die Wunde bereits gereinigt und eine antiseptische Paste aufgetragen, die nach Minze roch.
Aria wickelte den restlichen Verband um Butters Bein. »Meine Mutter war Ärztin. Also, eigentlich war sie Forscherin und arbeitete nicht oft mit Menschen. Und schon gar nicht mit Pferden.«
Sanft strich Molly über die weiße Blesse unter Butters Schopf; ihre Finger wirkten so knorrig wie Wurzeln. Aria musste unwillkürlich an Reverie denken, wo es Leiden wie Arthritis durch Veränderungen am Erbgut schon längst nicht mehr gab. Sie wünschte, sie hätte etwas tun können, um Molly zu helfen.
»Deine Mutter
war
Forscherin?«, fragte Molly und schaute in Arias Richtung.
»Ja … Sie ist vor fünf Monaten gestorben.«
Molly nickte nachdenklich und betrachtete sie aus warmen, mitfühlenden Augen, die die gleiche Farbe besaßen wie Butters kastanienbraunes Fell. »Und jetzt bist du hier, weit weg von deinem Zuhause.«
Aria schaute sich um und sah ringsum nur Matsch und Stroh. Der Geruch von Mist hing in der Luft. Ihre Hände waren kalt und rochen nach Pferd und Minze. Zum x-ten Mal schnupperte Butter an ihrem Haar. Der Unterschied zu Reverie hätte nicht größer sein können. »Ja, ich bin hier. Aber ich weiß nicht mehr, wo mein Zuhause ist.«
»Was ist mit deinem Vater?«
»Er war ein Horcher. Mehr weiß ich nicht«, erklärte Aria schulterzuckend. Sie wartete darauf, dass Molly etwas Unglaubliches sagen würde, etwa:
Ich weiß genau, wer dein Vater ist, und er ist hier, hat sich direkt hinter dem Stall versteckt
. Doch dann schüttelte sie den Kopf über ihre eigene Dummheit. Würde das denn helfen? Würde dieses Gefühl der Zerbrechlichkeit und Unsicherheit tief in ihrem Innern verschwinden, wenn sie ihren Vater fand?
»Schade, dass du keine Verwandten hast, die bei der Tätowierungszeremonie heute Abend dabei sein können«, bemerkte Molly.
»Heute Abend?«, fragte Aria und blickte auf. Sie war überrascht, dass Perry die Zeremonie bereits einen Tag nach dem Sturm durchführen wollte.
Butter schnaubte verärgert, als Wylan in den Stall kam.
»Was sagt man dazu? Molly und der Maulwurf!«, spottete er und lehnte sich an die Box. »Gute Show gestern Abend, Siedlerin.«
»Was gibt’s, Wylan?«, fragte Molly knapp.
Doch er ignorierte sie und konzentrierte sich ganz auf Aria. »Du verschwendest deine Zeit, wenn du nach Norden ziehst, Siedlerin. Die Blaue Stille ist nichts weiter als ein
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