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Getrieben - Durch ewige Nacht

Getrieben - Durch ewige Nacht

Titel: Getrieben - Durch ewige Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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bezwang das Verlangen, zu ihr zu gehen. Sie fest an sich zu ziehen. Er stellte sich vor, wie sie genau bis an seine Schulter reichte, wie die Schmerzen zusammen mit der Scham verschwanden – der Scham darüber, dass man ihn vor den Augen seines Stammes völlig zerschunden aus dem Wasser gezogen hatte. Schweigend gab er sich ganz seiner eigenen Vorstellung hin, bis nur noch sie beide übrig waren, allein auf einem weiten Dach.

    Stunden später stand Perry von seinem Platz im Kochhaus auf, streckte den Rücken und machte vorsichtige kreisförmige Bewegungen mit der Schulter. Doch er musste schlucken und konnte bestätigen, dass noch immer alles furchtbar schmerzte.
    Helles Morgenlicht fiel in goldenen Streifen durch die geöffneten Türen und Fenster in die Halle. Überall lagen Menschen – dicht gedrängt an den Wänden, unter den Tischen und in den Gängen. Wie konnte eine so große Menschenmenge so leise sein? Zum tausendsten Mal wanderte sein Blick hinüber zu Aria. Sie schlief neben Willow, und zwischen ihnen hatte sich Flea zu einer Kugel zusammengerollt.
    Roar erwachte und rieb sich die Augen, und auch Reef rappelte sich auf und schob seine Zöpfe über die Schultern. Dann regte sich der Rest der Sechs, denn sie spürten, dass Perry sie brauchte. Twig stupste Gren an, der ihn im Halbschlaf erst einmal zurückstupste. Hyde und Hayden standen auf, schwangen gleichzeitig den Bogen über die Schulter und ließen Straggler zurück, der noch immer damit beschäftigt war, sich die Stiefel anzuziehen. Leise gingen sie an den schlafenden Dorfbewohnern vorbei und folgten Perry ins Freie.
    Abgesehen von den Pfützen, den Ästen und den zerbrochenen Dachziegeln, die überall verstreut lagen, sah das Dorf unverändert aus. Perry ließ den Blick über die Berge schweifen. Er entdeckte keine Feuer, aber in der feuchten Luft hing ein beißender Geruch nach Rauch. Bestimmt hatte er noch mehr Land verloren. Er konnte nur hoffen, dass es nicht weiteres Acker- und Weideland war und dass der Regen den Schaden in Grenzen gehalten hatte.
    Straggler schob sich nach vorn, rümpfte die Nase und schaute zum Himmel. »Hab ich das letzte Nacht geträumt?«
    Der Äther strömte ruhig dahin, zog blaue Bahnen zwischen Wolkenfetzen. Ein normaler Frühjahrshimmel. Keine Decke aus glühenden Wolken, keine wirbelnden Äthertrichter.
    »Ging es in dem Traum um Brooke?«, fragte Gren. »Dann lautet die Antwort nämlich Ja. Und ich ebenfalls.«
    Straggler knuffte ihn in den Oberarm. »Idiot. Sie ist Perrys Mädchen.«
    Gren schüttelte den Kopf. »’tschuldigung, Perry. Das wusste ich nicht.«
    Perry räusperte sich. »Schon gut. Das ist längst vorbei.«
    »Hört auf, ihr beiden«, befahl Reef und musterte Strag und Gren streng. »Wo sollen wir anfangen, Perry?«
    Immer mehr Menschen kamen aus dem Kochhaus. Gray und Wylan. Rowan, Molly und Bear. Als sie zum Dorf und dann hinauf in den Himmel blickten, bemerkte Perry den besorgten Ausdruck auf ihren Gesichtern. Waren sie jetzt in Sicherheit, oder würde schon bald ein weiterer Sturm über sie hereinbrechen? Würden von nun an das ganze Jahr hindurch Ätherstürme drohen? Er wusste, dass alle sich diese Fragen stellten.
    Perry wies sie an, sich zuerst im Dorf umzusehen und den Schaden an den Dächern festzustellen, nach dem Vieh in den Ställen zu schauen und dann hinaus auf die Felder zu gehen. Er schickte Willow und Flea los, um nach Cinder zu suchen, denn er bereute sein Verhalten vom Abend zuvor. Er war nicht bei Sinnen gewesen und musste Cinder finden, damit er sich bei ihm entschuldigen konnte. Dann machte er sich zusammen mit Roar nach Nordwesten auf. Eine Stunde später standen sie am Rand eines schwelenden Feldes.
    »Da ist nichts mehr zu retten«, meinte Roar.
    »Es ist nur Jagdgelände. Und glücklicherweise auch nicht unser bestes.«
    »Du siehst das ja ziemlich gelassen, Per.«
    Perry nickte. »Danke. Ich geb mir Mühe.«
    Roars Blick wanderte zum Rand des Feldes. »Sieh mal, da kommt die Fröhlichkeit in Person.«
    Perry entdeckte Reef und lächelte. Nur Roar konnte ihn in einer solchen Situation aufheitern.
    Reef setzte ihn über die anderen Schäden ins Bild. Im Süden hatten sie Wald verloren, der an Gebiete grenzte, die bereits im Winter den Bränden zum Opfer gefallen waren. »Die ganze Gegend sieht jetzt nach einem noch größeren Streifen Asche aus«, erklärte Reef. Auch noch der letzte Bienenstock der Tiden war zerstört worden, und das Wasser aus den beiden Brunnen im Dorf

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