Getrieben - Durch ewige Nacht
abzuschalten. Sie nahm es ab, steckte es wieder in ihren Beutel und weckte Roar.
Es war an der Zeit, endlich Sable gegenüberzutreten.
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Peregrine
| Kapitel Einundzwanzig
Eine Woche nach dem Überfall auf das Dorf erwachte Perry in der Dunkelheit. Im Haus war es still, und seine Männer lagen schlafend im Raum verteilt auf dem Boden. Das erste schwache Tageslicht drang durch die Spalten in den Fensterläden herein.
Er hatte von Aria geträumt. Von der Zeit vor ein paar Monaten, als sie ihn dazu überredet hatte, ihr etwas vorzusingen. Mit rauer, brüchiger Stimme hatte er das Lied der Jäger gesungen, und sie hatte in seinen Armen gelegen und ihm zugehört.
Perry rieb sich die Augen, bis er Sterne anstelle ihres Gesichts sah. Er war so ein Narr gewesen.
Dann rappelte er sich auf und schlängelte sich an den Sechs vorbei zum Dachboden. Gren war noch immer nicht von seiner Reise zu Marron zurückgekehrt, und wie Perry befürchtet hatte, mussten die Tiden Hunger leiden. Er sah es an den neuen Falten in Willows schmalem Gesicht, hörte es in den angespannten Stimmen der Sechs. Ein beständiger Schmerz hatte sich in seinem Bauch eingenistet, und gestern hatte er mit dem Messer ein neues Loch in seinen Gürtel bohren müssen. Noch spürte er es nicht, befürchtete aber, dass er bald körperlich schwächer werden würde.
Es hatte keinen Sinn, noch mehr Arbeit in Felder zu stecken, die wahrscheinlich ohnehin abbrennen würden, und aufgrund von Überjagung und Ätherstürmen war es nahezu unmöglich, Wild aufzuspüren. Also verließen sie sich mehr denn je auf das Meer und schafften es die meiste Zeit, dafür zu sorgen, dass die Kochtöpfe am Ende des Tages gefüllt waren. Niemand beschwerte sich mehr darüber, dass das Essen nicht schmeckte. Dafür hatte der Hunger gesorgt.
Die Lage des Dorfes an der Küste war ein Vorteil, um den andere Stämme sie beneideten. Täglich berichteten Perrys Späher von Banden, die sich an den Grenzen seines Territoriums herumtrieben. Perry wusste, dass er nicht länger auf Marrons Hilfe warten konnte, ebenso wenig wie auf den nächsten Sturm oder den nächsten Überfall. Er musste etwas unternehmen.
Er kletterte ein paar Sprossen hinauf, bis er den Dachboden überblicken konnte. Cinder lag quer über der Matratze und schnarchte leise. In der Nacht des Überfalls hatte er sich völlig verängstigt und tränenüberströmt hier hinaufgeflüchtet, und seitdem war es sein Platz. Seine Augen zuckten im Schlaf, und aus seinem Mundwinkel rann ein wenig Speichel. Mit einer Hand hielt er seine schwarze Wollmütze umklammert.
Perry musste an Talon denken, auch wenn er nicht genau wusste, warum: Cinder war ungefähr fünf Jahre älter als sein Neffe und besaß völlig andere Charakterzüge. Bis zu Talons Entführung hatte Perry jeden Tag seines Lebens mit ihm verbracht. Er hatte Talon in den Armen gehalten und gewartet, bis er eingeschlafen war, hatte Tag für Tag zugesehen, wie er sich zu einem sanften und klugen Kind entwickelte.
Über Cinder wusste er dagegen so gut wie gar nichts. Der Junge hatte nicht ein Wort über seine Vergangenheit und seine besonderen Kräfte verloren, und wenn er etwas sagte, klang es oft bissig und schnippisch. Cinder verhielt sich zurückhaltend und vorsichtig, aber Perry spürte eine Verbindung mit ihm – zwar
kannte
er ihn nicht, aber er verstand ihn.
Perry rüttelte ihn sanft an der Schulter. »Wach auf. Ich brauche dich. Du musst mitkommen.«
Cinder riss die Augen auf, und schon im nächsten Moment kletterte er laut und unbeholfen die Leiter hinunter.
Reef und Twig erwachten, dann Hyde und Hayden und sogar Strag. Sie schauten einander an, und dann sagte Reef: »Ich gehe mit«, stand auf und folgte Perry.
Das traf sich gut: Perry hatte Reef ohnehin bitten wollen, sie zu begleiten.
Seit dem Überfall waren die Sechs noch mehr um seinen Schutz bemüht als zuvor. Perry ließ sie gewähren. Er griff sich seinen Bogen, der neben der Eingangstür stand, und warf dabei einen kurzen Blick auf die Narben, die Cinder ihm zugefügt hatte. Perry war aus Fleisch und Blut, wie jeder andere auch. Er verbrannte und verletzte sich. Er hatte den Äthersturm und den Angriff auf das Dorf überlebt, aber wie oft würde er dem Tod noch entkommen können? Es gab eine Zeit, in der man Risiken eingehen, und eine Zeit, in der man Vorsicht walten lassen musste. Es war ihm immer schwergefallen, die richtige Wahl zwischen beidem zu treffen, aber er war dabei, es zu
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