Gevatter Tod
Morts Blickfeld ganz ausfüllte. Das dumpfe Lachen erschütterte die Grundfeste des Universums.
Und dann drehte Tod das Glas um.
Erneut flackerte heller Kerzenschein im großen Saal des Schlosses von Sto Lat, und laute Musik erklang.
Die geladenen Gäste traten nacheinander die Stufen herunter und näherten sich dem kalten Büfett. Dem Zeremonienmeister blieb kaum Zeit genug, um Luft zu holen: Ständig nannte er die Namen derjenigen, die zu spät kamen – entweder aus reiner Gedankenlosigkeit oder um auf die Bedeutung der eigenen Person hinzuweisen. Er verkündete gerade:
»Der Königliche Wiedererkenner, Hüter Des Privaten Schlafzimmers der Königin, Seine Magische Durchlaucht Ignazius Eruptus Schneidgut, Zauberer des Ersten Grades und Absolvent der Unsichtbaren Universität.«
Schneidgut gesellte sich dem jungen Paar hinzu und grinste von einem Ohr bis zum anderen. In der rechten Hand hielt er eine dicke Zigarre.
»Darf ich die Braut küssen?« fragte er.
»Für Zauberer ist das erlaubt«, erwiderte Ysabell und bot ihm die Wange dar.
»Das Feuerwerk war einfach herrlich«, sagte Mort. »Und ich vermute, es wird nicht allzulange dauern, den explodierten Außenwall durch einen neuen zu ersetzen. Nun, sicher findest du allein zu den Speisen.«
»Es scheint ihm recht gut zu gehen«, stellte Ysabell fest, als Schneidgut in der Menge verschwand. Ein starres Lächeln umspielte ihre Lippen.
»Kein Wunder«, murmelte Mort und nickte einem Adligen zu. »Er ist weit und breit der einzige, der es sich erlauben kann, der Königin nicht zu gehorchen.«
»Es heißt, er sei die wahre Macht hinter dem Thron«, fügte Ysabell hinzu. »Man bezeichnet ihn als Eminenz oder so.«
»Wahrscheinlich als Eminenz Dickwanst«, antwortete Mort zerstreut. »Ist dir schon aufgefallen, daß er seit einigen Tagen überhaupt keine Magie mehr beschwört?«
»Seistilldakommtsie.«
»Ihre Erhabene Majestät Königin Kelirehenna I. Herrin von Sto Lat, Protektorin der Acht Protektorate und Kaiserin des Langen Umstrittenen Streifens Mittwärts Von Sto Kerrig.«
Ysabell machte einen Knicks, und Mort verneigte sich. Keli bedachte sie beide mit einem strahlenden Lächeln. Allem Anschein nach war sie unter einen recht guten Einfluß geraten: Sie trug jetzt Kleidung, die zumindest zum Teil ihrer Figur gerecht wurde, und die Frisur erweckte nicht mehr den Eindruck, als handele es sich um eine Kreuzung zwischen Ananas und Zuckerwatte.
Keli hauchte Ysabell einen Kuß auf die Wange, trat dann einen Schritt zurück und musterte Mort von Kopf bis Fuß.
»Wie steht's mit Sto Helit?« fragte sie.
»Oh, soweit ganz gut«, sagte Mort. »Abgesehen von den Kellern, die umgebaut werden sollten. Euer verstorbener Onkel hatte einige ungewöhnliche – Hobbies und…«
»Sie meint dich«, flüsterte Ysabell. »So lautet jetzt dein offizieller Name.«
»Mort ist mir lieber«, sagte Mort.
»Du hast ein interessantes Wappen gewählt«, fuhr die Königin fort. »Gekreuzte Sicheln vor einer Sanduhr auf schwarzem Grund. Die Buchführer im Königlichen Heroldsamt klagten tagelang über Kopfschmerzen.«
»Ich habe eigentlich gar nichts dagegen, ein Herzog zu sein«, brummte Mort. »Mit fällt nur die Erkenntnis schwer, mit einer Herzogin verheiratet zu sein.«
»Du wirst dich daran gewöhnen.«
»Ich hoffe nicht.«
»Und nun, Ysabell…«, sagte Keli und schob das Kinn vor. »Wenn du zur königlichen Gesellschaft gehören willst, mußt du unbedingt einige Leute kennenlernen…«
Ysabell warf Mort einen verzweifelten Blick zu, als sie von der Königin ins allgemeine Gedränge geführt wurde.
Mort strich mit einem Finger an der Innenseite des Kragens entlang, sah nach rechts und links – und verbarg sich hinter einer hohen Topfpflanze, die unweit des Büfettisches stand. Er hoffte darauf, wenigstens einige Minuten ungestört zu bleiben.
Weiter vorn räusperte sich der Zeremonienmeister. Seine Augen trübten sich, und er starrte in die Ferne.
»Der Seelenräuber«, sagte er mit einer monotonen Stimme, die nur den Mund betrifft und von den Ohren nicht wahrgenommen wird. »Unterwerfer von Imperien, Verschlinger von Ozeanen, Herrscher der Schattenwelt, Jahresdieb, Ultimate Realität, Ernter der Menschheit…«
SCHON GUT. ICH GLAUBE, DAS GENÜGT.
Mort erstarrte mit einem Truthahnschenkel im Mund. Die Stimme erklang direkt hinter ihm, und er brauchte gar nicht den Kopf zu drehen, um festzustellen, von wem sie stammte. Man hörte sie nicht in dem Sinne,
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