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Gevatter Tod

Gevatter Tod

Titel: Gevatter Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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danach, ein sonderbares Gefühl zu unterdrücken. Er war wirklich froh, am Leben zu sein, und die Rolle als Tod gefiel ihm immer weniger.
    OFFENBAR VERMISSE ICH ETWAS, dachte er.
     
    Mort kletterte die Leiter hoch und gesellte sich an Ysabells Seite. Das Gerüst vibrierte und schwankte, schien jedoch geneigt zu sein, ihr gemeinsames Gewicht zu tragen. Die Höhe machte dem Jungen glücklicherweise nichts aus – unten herrschte nur pechschwarze Finsternis.
    Einige von Alberts frühen Bänden fielen langsam auseinander. Er griff nach einem davon und spürte, wie die Leiter heftig dabei erbebte. Hastig klammerte er sich fest und schlug das Buch irgendwo in der Mitte auf.
    »Halt die Kerze etwas näher heran!« bat er.
    »Kannst du was entziffern?«
    »Ich gebe mir Mühe…«
    »… rang är mit där Händen, verährgert darüber, dass alle Mänschen früher oder spähter dem Tode außgeliehfert seiet. Woraufhin är schwohr, däm Schikksal ainen Schtrich durche Rächnung su machen und Unstärblichkeit su fihnden. ›Auf diesige Waise‹, so wantte er sich an där jungen Zaubara, ›tragen wir baldig där Götter Manntel.‹ Am nächstigen Tage – äs rehgnete – ging Alberto…«
    »Es ist auf Alt geschrieben«, sagte Mort. »Bevor man Grammatik und Orthographie erfand. Schlagen wir mal in den späteren Büchern nach.«
    Es bestand kein Zweifel daran, daß es sich um Alberts Biographie handelte. Der Hinweis auf gebratenes Brot war eindeutig.
    »Mal sehen, was er gerade tut«, sagte Ysabell.
    »Das gehört sich doch nicht. Ich meine, es ist sein Leben. Es geht uns nichts an. Es…«
    »Na und? Hast du etwa Angst?«
    Mort seufzte.
    Er suchte die leeren Seiten des letzten Bandes und blätterte zurück, bis er Alberts Geschichte fand. Sie schrieb sich mit überraschendem Eifer, wenn man die späte Stunde berücksichtigte. Die meisten Biographien wissen nicht viel über den Schlaf zu berichten – es sei denn, die betreffenden Menschen träumen besonders intensiv.
    »Sei vorsichtig mit der Kerze. Ich möchte vermeiden, daß Talg auf Alberts Leben kleckert.«
    »Wieso denn? Er mag Fett und Talg. Sieh dir nur mal seine Pfanne an!«
    »Hör endlich auf zu kichern«, sagte Mort. »Oder willst du riskieren, daß wir beide von der Leiter fallen? Nun, an dieser Stelle heißt es…«
    »… Er schlich durch die staubige Dunkelheit des Archiv«, – las Ysabell –, »den Blick auf den matten Kerzenschimmer weit oben gerichtet. Die kleinen Teufel schnüffeln schon wieder herum, dachte er, stecken die Nasen in Dinge, die sie nichts angehen…«
    »Mort, er…«
    »Sei still. Ich lese.«
    »… entschlossen dazu, dem ein Ende zu bereiten. Auf leisen Sohlen näherte sich Albert der Leiter, spuckte in die Hände und machte sich bereit, dem Gerüst einen ordentlichen Stoß zu geben. Tod würde gewiß nichts davon erfahren. Seit einigen Tagen verhielt er sich recht seltsam, was einzig und allein die Schuld des Jungen war…«
    Mort hob den Kopf und sah in Ysabells entsetzt blickende Augen.
    Das Mädchen griff nach dem Buch und starrte weiterhin seinen Begleiter an, als es den Arm ausstreckte und den dicken Band fallen ließ.
    Mort beobachtete, wie sich Ysabells Lippen bewegten, stellte fest, daß er ebenfalls stumm zählte.
    Drei, vier…
    Tief unten pochte es leise. Ein gedämpfter Schrei erklang, gefolgt von neuerlicher Stille.
    »Vielleicht hast du ihn umgebracht«, sagte Mort nach einer Weile.
    »Was, hier? Außerdem: Ich kann mich nicht daran entsinnen, von dir einen besseren Vorschlag gehört zu haben.«
    »Nein, aber… Er ist ein alter Mann.«
    »Nein, das ist er nicht«, erwiderte Ysabell scharf und begann mit dem Abstieg.
    »Sind zweitausend Jahre für dich ein Klacks?«
    »Siebenundsechzig, keinen Tag mehr.«
    »In den Büchern steht…«
    »Ich habe dir doch gesagt, daß die Zeit, die echte Zeit, hier keine Rolle spielt. Hörst du denn nie zu, Junge?«
    »Mort«, sagte Mort.
    »Und tritt mir nicht dauernd auf die Finger. Ich beeile mich, aber schneller geht's eben nicht.«
    »Entschuldige.«
    »Und sei kein solcher Waschlappen. Hast du eine Ahnung, wie langweilig es sein kann, hier zu leben?«
    »Wahrscheinlich nicht«, erwiderte Mort und fügte mit aufrichtiger Sehnsucht hinzu: »Ich kenne das Phänomen der Langeweile nur vom Hörensagen und würde es gern einmal aus erster Hand erleben.«
    »Langeweile ist schrecklich.«
    »Nun, auch auf die Gefahr hin, dich zu enttäuschen: Ständige Aufregung kann einem ganz schön auf

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