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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Tour gefügig machen? Oder was kommt da bei Ihnen zum Vorschein?« Ich war ziemlich erschrocken. Was stellt er sich unter mir vor, was weiß er von mir?
    Eine von uns fiel bei der Sache mit der Angst aus der Rolle. Jeanette behauptete, ihr machten der Hochfrequenzhandel und die Spekulationen mit der Verschuldung armer Länder Alpträume sowie in der Folge die Milliardengeschäfte mit Hilfe käuflicher Anwaltskanzleien zu Lasten …
    Wir trauten unseren Ohren nicht. Ausgerechnet Jeanette! Alle sahen auf ihren Mund, wie er auf- und zuging beim Sprechen. Ihr Mann, der noble Dr. Herzer, fing an, sich im ersten Schrecken fanatisch in den Ohren zu bohren. Dann verbarg er sein Gesicht wie in Andacht, aber ich erkannte genau, daß seine Schultern vor Lachen zuckten.
    Und wenn man mich, am Rand der Decke, gedrängt hätte, ein Beispiel zu nennen? War die Furcht vor Peitsche, Kacker und Tschocklett unsinnig gewesen? Jedenfalls hatte ich als Kind alle Furcht auf die Hartmann-Brüder geworfen. Meine Angst war wohl tatsächlich viel größer gewesen als die drei, wenn man sie von ihnen abgezogen hätte.
    Wir alle fürchteten in Wirklichkeit besonders eines, alle wußten es, keiner gab es am Feuerwehrteich zu, nämlich daß Hans vielleicht doch nicht kommen oder überhaupt zu spät kommen könnte. Ach, wie haben sich alle heimlich die Finger nach ihm geleckt! Ich nahm mir vor, zu seiner Ankunft Pflanzennamen auswendig zu lernen. Seggen, Binsen, Simsen, Schilfröhricht, Riedgras. Das sage ich auch jetzt noch ohne weiteres daher.
    Das Spielen klappte nicht ohne ihn. Alle hatten vergessen, daß man die Kümmernisse und Wichtigtuereien der offiziellen Vorkommnisse wegsperren muß, weil die sich viel schwerermachen als die Freude. Als wir uns trennten, entschied Herzer kategorisch: »Wir sehen uns nach seiner Rückkehr wieder, erst dann.« Dann, wenn Hans uns wieder nach seiner Art schräg anlächelte, könnten wir einander wie früher unsere guten Seiten zuwenden. Und was würden sich die Frauen rote Bäckchen anmalen! Über allem aber schwebte ein einziges Wort. Es wurde von diesem und jenem ab und zu freundlich fragend, auch spöttisch ausgesprochen: »Anada! Höhö!« »Anada? Hm!« Wer sollte das sonst sein als die Indianerin mit dem Goldnugget. Daran zweifelte niemand. Anada Scheffer, die junge Verwandte von Hans, mußte es sein. Und nun wußte er also ihren Namen! Aha!
    Wir standen schon und klopften uns die Kleider ab. Da rückte Herr Zock einen offenbar sehr teuren Champagner aus der Kühltruhe heraus, drei Flaschen. »Zock«, schrie Herr Herzer ganz aufgekratzt, »haben Sie denn nicht beträchtliche Verluste zu verkraften?« Bruno Zock lächelte verträumt Frau und Kinder an: »Wir haben so viele Freiheiten und nehmen sie uns nicht.« Sein Haar stand etwas wirr vom Kopf ab. Sofort begann der bleiche Metzger ein Rad zu schlagen zum Dank, und Finnland leerte seine Geldbörse auf die Decke, Bäder die seine, um ihn zu übertrumpfen an Verwegenheit, auf den Waldboden. Die Kinder starrten uns verächtlich an. Eins fragte seine Mutter: »Warum grinst du so?« »Kuck den Ast dahinten an, der grinst ja auch«, sagte Magdalena, »und nun sammle schnell das Geld auf, das Herrn Bäder ins Moos gerollt ist!« »Genauso sieht nun unsere Freiheit aus«, seufzte der Vater, billigte aber wohl die Rede seiner Frau.
    Die Freiheit war im Grunde sehr groß, wenn man nämlich bedenkt, was sich um uns herum tat, Geräuschfeinheiten, Luftströmungen, zarteste Gerüche, die wir nicht wahrnahmen, obschon sie uns doch umtosten.
    Vertrug Sabine den Champagner nicht? Sie rief plötzlich: »Da, seht her, Hängende Segge, da drüben Wollgras und hier die Kugelbinse!«Alles verkehrt, sie zeigte auf das Falsche. Niemand merkte es.
    Was sagte Iris zum Abschied? »Ihr Haus, Sabine, ist kreideweiß, die Fensterhöhlen kohlschwarz. Ich weiß genau, daß es in Wahrheit das Gesicht einer sehr alten Frau ist.« Man darf sie trotzdem nicht eigentlich bösartig nennen. Sie kann sich nur nicht bezähmen mit ihren Einfällen. Sie sprang dann auch komisch herum und schielte und glitzerte dazu wie wild. Irgendein Insekt hatte sich unter ihren Tropenanzug verlaufen: »Jetzt reicht’s mir für alle Zeiten mit Scheffers Spielwiese, und wenn er sie noch so großartig ›Naturschutzgebiet‹ nennt. Ich falle bestimmt nicht mehr auf den Etikettenschwindel rein.«
    Eben, als ich an Mirko dachte, hat es mir einen Stich versetzt. Am Tag bevor er zu den Eisenbahnschienen ging,

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