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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Denn bald schlüpft der Sommer in die großen Bäume und wohnt in ihnen, sacht auf der Stelle schwankend an tausend Orten gleichzeitig. Ob es noch irgend jemanden auf der Welt so freut wie mich? Denn es freut mich bis zur Raserei, freut mich, daß ich pfeifen und schreien könnte wie die Tiere in der Luft. Aber eigenartig, warum tut es mir erst richtig gut, wenn ich dazu eine Zigarette in der Hand halte? Weil dann die Freude schwelgend ruht.
    Über den geplünderten Rucksack habe ich kein Wort verloren, nur in der Nacht sind mir ein paar Tränen aus den Augen gequollen, als wäre ich bestohlen worden wie damals, in der Fußgängerzone. Ich nehme ihn allerdings auch nicht mehr mit, das wäre doch etwas zu viel Nachsicht gegenüber Sabine. Wir haben den Vorfall stumm miteinander verhandelt. Ich sage mir nämlich: Nein, eine Bevormundung ist es nicht, nur die Sorge um die unvernünftige Mutter. Den wertvollen Inhalt hat das Kind ordentlich auf meine Kommode gepackt. Dann soll er eben dort bleiben. Es war ja nur wegen der Freiheit und des Lebenssinns. Ich rege mich deshalb nicht auf, und sie, das eigentlich gute Mädchen, ist im Augenblick so sehr mit anderem beschäftigt, ist nervös und kann keinen Streit gebrauchen. Immerhin lächelt sie viel öfter als früher, ein Lächeln, das ein bißchen ungläubig ist, ein Glühen beinahe. Ich lasse mir davon nichts anmerken, aber man lächelt doch unwillkürlich zurück, selbst wenn der Gesichtsausdruck anderem gilt. Verzeihung, meine Kleine, sage ich, ohne den Mund zu bewegen, und kichere ein bißchen in mich hinein, ganz wenig ja nur.
    Die Nerven flattern ihr. Finanzielle Sorgen sind es nicht, nicht neue Erinnerungen an Mirko oder Streitigkeiten im Beruf. Ein einziges Mal habe ich mir ihre Arbeitsstelle angesehen, ohne meinen Namen zu nennen. Ich konnte das machen, Sabine war an dem Tag zu einem Seminar. Die Bank ist ein riesiges Gebäude in der Innenstadt, ein Palast. Was fiel mir auf? Das Automatische, das Katzenfreundliche, das Spiegelglatte. Man wird zum Narren gehalten, vom Teich im Foyer mit Fischen und Schildkröten im Krawattenmuster nicht weniger als durch die Ausstellung mit Ausgrabungen aus der Wikingerzeit. Es liegt alles zu sehr auf der Lauer. Ich wollte dann ein bißchen Geld wechseln. Etwas fuhr plötzlich in mich. Ich sagte: »Ich wünsche einen kleinen Kredit.« Dazu legte ich ganz treuherzig meine Hände auf die Schaltertheke. Die Dame sah schwarze Ränder unter meinenFingernägeln, die stammten von der Gartenarbeit. Sie starrte stumm. War der Arbeitsdreck denn ein Schuldbeweis? Am liebsten hätte sie den Alarmknopf gedrückt. »Was glauben Sie, was ich in meinem Rucksack mit mir rumschleppe!« habe ich hervorgestoßen, mich zornig gestellt und bin weggegangen. Dabei spürte ich, und es verletzte mich zu meiner Überraschung in meiner Ehre, wie eine Laufmasche an meinem Bein hochkletterte. Sofort fielen mir die »Wolkenkratzer« von Jeanette ein. Ich blieb gekränkt bei den Fischen stehen, damit es für die Angestellte, falls sie mir nachblickte, nicht nach einer Flucht aussah und sie triumphieren konnte.
    Bei Sabine handelt es sich jetzt um anderes. Erst gestern fiel mir auf, daß sie fast so groß ist wie mein Herr Hans. Er aber ist so stark, daß er sie mit Überschlag in die Luft werfen könnte, das brave, bittere Mädchen. Und tatsächlich sah es schon einmal so aus, als hätte er Lust dazu.
    Nirgendwo sonst als hier, bei seinen Tümpeln und Mooren, habe ich das Gefühl, es müsse auf der Erde noch anderes geben, als bloß geboren zu werden und zu sterben. Warum aber immer mein Quasseln in der Einsamkeit? Ich habe das doch schon als Kind so gemacht! Bevor ich sie ausspreche, gibt es die Sache gar nicht recht, alles schießt mir weg nach hierhin, nach dorthin. Ich muß etwas davon festnageln. Wenn das Spruchband aus mir herausflattert, dann erst ist entschieden, was sein soll.
    Bald erscheinen wieder die Bilder vom Sommeranfang. Da frage ich mich: Ist das schon die Platterbse, die Zaunwicke, und da drüben, sollte das Wiesensalbei oder Natternkopf sein? Dann, wenn man ihn nur ließe, an den Feldrändern, wer? Der Mohn, der inständige Mohn! Es sieht mich ja keiner, ich muß mir die Tränen abwischen. Weshalb aber? Weil sie alle so treu, treu wie sonst kaum jemand wiederkommen, sicher bis in alle Ewigkeit.
    Erst heute Morgen wachte ich mit einem großen Liebesschmerz auf. Ja, ich war jung und schlug glücklich in diesemSchmerz die Augen auf. Nur: Welches

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