Gewäsch und Gewimmel - Roman
aber Ilona ist so ein süßes Gegenstück zu dieser Frau!
Der Pfad zum alten Feuerwehrteich war mit Reisigbarrieren versperrt. Wir überkletterten das Hindernis, und alle grienten, als würden wir Hans hier persönlich einen Streich spielen. Ein Ungehorsam, bevor er wieder die Aufsicht übernahm. Der Unterschied zu den Zockschen Kindern und den Erwachsenen fiel hier kaum ins Gewicht. Magdalena lieferte ein komplettes kaltes Essen, samt Vorspeisen und Kuchen, und servierte es auf karierter Decke in ländlicher Umstandslosigkeit. Sie hatte bei Hans gelernt und sich zu Herzen genommen, daß die Speisen gern erlesen sein dürfen, aber wie nebenbei gegessen werden müssen, auch wenn man lange daran gekocht hat. Um uns herum blühten in Massen die blauen Lupinen.
Finnland schrie: »Verdammtes Biest!« Er schlug sich auf den nackten Unterarm. »Ist Ilonas Liebesbiene gelandet?« fragte Iris. »Wespe«, brummte Finnland verschmitzt zu Sabine rüber. »Die hat sich zum Stechen die richtige Stelle ausgesucht, eine Doppelstrafe, hier, an diesem Teich«, kam erstaunlich fidel von ihr zurück.Finnland leuchtete Sabines öffentliche und geheime Antwort offensichtlich ein. Ich wußte ja Bescheid.
Einmal hörten wir von weit her Glockenläuten. Wenn ich mich nicht täusche, sagte Herzer: »Ah, das ferne Summen der Frömmigkeit!«
Magdalena: »Das gilt bestimmt einer Taufe.«
Iris Steinert: »Ach was, die bimmeln zur Beerdigung!«
Herzer: »Wir sind nun mal von Gott abgeschnitten, und diese ganze schöne Landschaft ist es auch.«
Iris: »Höllisch!« Dazu tippte sie sich hinter dem Rücken des Frauenarztes an die Stirn.
Hehe ächzte nur »Oh«, und seufzte: »Ach Gott!«
Herzer legte den Arm um seine Frau. Da wurde ich Zeugin, wie sie sich mit einer gut geübten Hüftdrehung entzog, indem sie auf irgendein Kraut verwies. Er senkte den Kopf, er sah gar nicht erst hin. Dann tat er was Verblüffendes. Er wandte sich an den Metzger und sagte laut: »Ihrer Ilona wird es schon bald wieder bessergehen. Ganz sicher, keine Sorgen bitte.« Dazu nahm er ein Stöckchen in die Hand, ließ es aber sofort fallen, weil es wohl in der Nässe der Nacht weich geworden war. Er muß es für ein Tierchen gehalten haben. Ob den beiden, Herzer und Jeanette, zu helfen wäre, wenn sie, Jeanette, sich ihre Augenbrauen weniger hart nachzeichnen würde?
Es war ein Augenblick, in dem ich der ganzen netten Gesellschaft am liebsten die Zunge rausgestreckt hätte.
Ich habe nicht viel Abwechslung, was Menschen betrifft. Ich nenne es aber nicht Einsamkeit. Macht ja auch nichts. Deshalb prägt sich mir doch so vieles ein. Irgendwann, auf unserer Gemeinschaftsdecke, kam es zu einem Wortwechsel. Jeanette verkündete: »Karin besitzt überhaupt nicht die Gabe der Intuition!« Sie sagte es laut, aber nur zu ihrem Mann hin. Die anderen beachteten es nicht, eine Karin war bei uns unbekannt, außerdem sprachen sie über die Galeriegeschäfte der Libelle Steinert.»Stimmt!« antwortete Herzer, höflich, aber mehr nicht. »So? So? Wirklich? Stimmt?« fauchte seine Frau so bitter, daß ich nun genau hinhörte. Oder klang es triumphierend? »Immerhin kennen wir zwei Frauen, die so heißen. Und du fragst nicht nach. Du willst nicht mal wissen, welche ich meine!« Daraufhin habe ich ihren Mann lieber nicht angesehen.
War es denkbar, daß sie nach langen Ehejahren angesichts von Hans ein Gefühl spürte, das sich einfach nicht zurückdämmen ließ, das aus ihr herausbrach auf Gedeih und Verderb und ans Licht wollte? Früher, wenn ich mich richtig erinnere, lebte ich doch immer in einer Verliebtheit. Immer gab es jemanden, zu dem alles hinströmte, der Himmel, die Vogelstimmen in ihren Räumen, die kupfernen Abendwiesen. Immer tiefer wollte ich das gleichzeitig einsaugen in mich, sogar den Horizont in mich hereinkrümmen. Wie vernarrt man war, wie irrsinnig! Alle unbarmherzigen Gedanken, auf die man kommen kann, wurden barmherzig durch die Liebe verschleiert. Und jetzt?
Auch bei meiner einzigen Tochter habe ich mich oft gefragt, ob sie wenigstens ahnt, daß es unterhalb des Kopfes eine Verständigung gibt. Es muß nur ein bestimmter Mann in die Nähe kommen, und das eigene Blut unterhält sich sofort ungeniert mit seinem, kümmert sich um nichts anderes mehr. Man kann solchen Unanständigkeiten nur ohnmächtig von oben zusehen. Wie sollte es mit Finnland was werden? Er sucht, außer seiner Schwäche für Hans, in Wahrheit eine Teufelin, die sein hölzernes Wesen
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