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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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gegen einen Mann mit einem Messer verteidige«, sagte Jan.
Zwei Nachgedanken
    Als der geistliche Herr Dillburg Frau Fendel, die so gern Lakritz nascht, längst verlassen hatte, lobte sie noch immer den Umstand, daß sie sich während seines Besuchs beherrscht und ihn nicht mit einer Sache belästigt hatte, die ihr aber doch auf dem Herzen lag. Den gesamten Vormittag über war ihr eine durchsichtige kleine Plastikhaube auf der Anrichte neben der nie benutzten Spülmaschine ein Dorn im Auge gewesen. Dastand allerhand auf dem Spiel. Die Frage war nämlich: Wo gehört sie hin? Kein Hinweis. Nur sie selbst aber, Frau Fendel, konnte sie benutzt haben. Das Problem schien größer zu sein als die Suche nach einer verschwundenen Brille. Sie hätte beinahe geweint. Auch vom Tröster Lakritz war weit und breit nichts zu sehen.
    Und endlich, zehn Minuten vor Mittag, war ihr eine Idee gekommen, und zwar die einzig richtige, die Erlösung, wie sie sogleich überprüfen konnte. Es handelte sich um die Verschlußkappe der Süßstofflasche! Ganz allein war sie darauf gekommen, aus eigener Kraft!
    Warum das Herrn Dillburg erzählen?
    Der jedoch, auf dem Nachhauseweg in Gedanken versunken über die Beschwerlichkeiten des Alters und, da er ein kluger Mann war, auch in die nicht geringeren der Jugend, sagte sich, leicht nach Atem ringend: Glaube, Hoffnung, Liebe, die Kardinaltugenden, reißen sich alle drei stürmisch von der vernünftigen wie von der biologischen Welt los. Sie wenden ihr den Rücken zu und errichten eine andere, eine ungleich herrlichere.
    Für diesen Abend getröstet, stieg er die Treppe zu seiner einsamen Wohnung hoch.
Elsa im Warmen
    Elsa, die rothaarige Krankentherapeutin aus der Moritzstraße, lag an einem sehr kalten Winternachmittag zuhause allein im Bett, im Frotteeschlafanzug ihres Freundes, an den Füßen Henris Frotteesocken. Die Wärme lieferte Wonneschauer, wie erhofft. Sie sah vom Bett aus die frostige Schneepracht draußen und genoß das Licht aus den Häusern, das darauf fiel.
    Sie dachte an freundliche und gute Menschen, an eine Patientin, die ihre, Elsas, Wohnung aus Dankbarkeit für erfolgreiche Massagen mit gebastelten Nadelkissen in Gestalt kleiner Hüteanfüllte, an eine alte Tänzerin, die Grundschülern unentgeltlich Tanzunterricht erteilte, an die Witwe eines Staatsanwalts, die Obdachlose jeden Sonntagmorgen mit Duschmöglichkeit, Kleidung und erstklassigem Frühstück versorgte, an einen Mann, der ein vierzig Jahre altes Pferd pflegte und dessen Stellplatz bezahlte. Wie große, sanfte Schneeflocken senkten sich die Erinnerungen auf sie herab.
    Und war ihr eigener Beitrag, war ihre, Elsas, Aufgabe nicht durch dieses dankbare Vergegenwärtigen ohne Rest erfüllt?
    Vielleicht wurde das an geheimer Stelle sogar lobender vermerkt als die Tätigkeit jener Seelenärzte, die ihren Klienten nach jahrelangen Sitzungen den segens- und kostenreich ermittelten Lebensschlüssel mitgaben:
    »Alles kommt daher, daß Sie ein Flüchtlingskind waren!«
    »Alles kommt daher, daß Ihr Onkel Ihnen als Kind zwischen die Beine gegriffen hat!«
    »Alles kommt daher, daß Ihre Mutter Sie zu lange bei sich im Bett hat schlafen lassen!«
Gadows
    »Natürlich könnten wir auch nach Cornwall und Kent in die englischen Gartenparadiese fahren, eine Woche für 1649 Euro pro Person, auf den Spuren der schrägen Vita Sackville-West, Sissinghurst usw.« sagte Herr Gadow zu seiner Frau, »nicht billig, aber schließlich …«
    Schließlich wurden sie beide manchmal von einem großen Zittern befallen, das sie nicht voreinander aussprachen, da es gar nicht nötig war. Aber diese Furcht, die ganz »grundlose«, durchfurchte und durchpflügte sie wie ein Orkan, bis sie für diesmal vorüber war.
    »Was ich sagen wollte, wo war ich stehengeblieben: haushohe Rhododendren, phantastische Staudengärten.«
Dicke Frau
    Während der Zugfahrt von Frankfurt nach Hamburg-Altona saß Herrn Brück, dem der treue, von den Jahren ramponierte Hund Rex Brück gehört, eine junge, von vornherein beleidigt wirkende Frau gegenüber. Sie war so dick, daß sie überall anstieß. Mit Spannung hatte er schon verfolgt, ob die Unförmige überhaupt mit beiden Schenkeln nebeneinander auf ihren reservierten Platz paßte. Kaum war das geschafft, begann sie, wobei sie rastlos aus einer Einkaufstasche auf ihrem Schoß krachende Chips futterte, in die Tasche hineinzuflüstern. Schließlich hob sich das Köpfchen eines winzigen Hundes daraus hervor. Von da an

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