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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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werde und sein Erstaunen, ja seine Erschütterung über die Furie des Verschwindens den unbekümmert Nachwachsenden auf den Wecker gehe? Immerhin habe er sich als junger Mensch, wenn er beim Nichtwissen ertappt wurde, geschämt und nicht dem anderen den Schwarzen Peter zugeschoben.
    Gottlob sei der Anti-Aging-Effekt der süßen Bibi zuverlässig, sobald er wach werde, zur Hand. Sie beide stellten sich vor – ihm als seinem erprobten Verleger dürfe er das doch gestehen? – sie würden im Bett von einer Videokamera zu Erpressungszwecken gefilmt. Enorme Beflügelung! Bibi habe ihm auch erzählt, wenn sie allein sei beim An- und Ausziehen, denke sie sich immereinen versteckten Beobachter dazu. Dann mache es sofort Spaß. So ein liebes Ding! Die alte Susanna-im-Bade-Chose, und die Kleine wisse es nicht mal!
    Übrigens habe er zu seiner großen Überraschung F. L. hier getroffen. Ausgerechnet den läppischen F. L., links wie Luzifer, der sich offenbar geniere, hier aufgestöbert worden zu sein und nun ostentativ als Magenbitter in all dem Luxus einen Bericht über russische Straflager zur Stalinzeit lese. Beim Frühstück sehe er kurz vorm Zubiß sein Brötchen mit gebleckten Zähnen an wie ein Gorilla beim Angstdrohen. Dazwischen schenke er seine geistige Magermilch aus. An wen? An seine Dulcinea, die ein 5-Sterne-Grottenolm sei mit vermutlich säuerlichem Innenleben unterm konturlosen Busen. Er, Pratz, habe sich mittlerweile so gesetzt, daß er das Pärchen im Rücken habe.
    Ansonsten seien sie hier kuriose Individua, Insekten, die sich kurz in die Sichtbarkeit schwängen, Bonmotisten und Koryphäen des rhetorischen Ziergesangs.
    Gestern die Schwingen herrlicher Nachtkühle von den Bergen herab. Dann sei die aber, von einer Sekunde zur anderen, derart niederträchtig symbolisch geworden, daß seine ganze bisherige Erholung dahin sei.
Auf der Autobahn
    Alles macht mit im Schwung der Arien. Die Lastwagen, winterliche Äcker rechts und links im Vorüberfliegen, nach der Abfahrt die Mütter beim Schieben der Kinderkarren, die schaufelnden Straßenarbeiter: prunkend, federnd, schnurrend, springend. Sie alle tun mit und wissen es nicht, denn nur Jan Sykowa und seine Frau hören die Musik.
    Die Liebenden Sykowa wechseln ab und zu einen Satz über die Tonfolgen. Der eine sagt es, der andere fühlt es, dann umgekehrt. Ein Aufglühen, ein Lichtbogen, ganz kurz. Früher hätten sie geflüstert: »Wenn wir doch jetzt sterben würden!« Heute sagen sie:»Wenn wir doch niemals stürben!« Heute wie damals fällt das Wort vom Sterben, weil sie der Augenblick versengt.
Der wunderliche Straßenmusikant
    Den ganzen Tag hat Werner G., ein alter Spezi von Alex, vor dem Supermarkt gehockt und gefroren. Alles umsonst. Plötzlich kommen Passanten, immer neue. Sie werfen, nachdem einer damit begonnen hat, Scheine in seine Kiste. Er kann es nicht fassen, spielt und spielt auf seiner Geige, wie der Teufel, wie noch nie. Dabei hatte er doch viele Stunden lang immer den Satz gemurmelt. »Nicht der Gewählte, nicht der Wähler, das Kapital hat die Macht!«
Jans Kopf
    Eigentlich, sagt sich Frau Sykowa, ist Jans Kopf zu groß, aber es sind lauter Wörter und Töne, Geschichten und Gewässer darinnen, ich weiß es. Alles ist hinter diesen Zügen schwelend und melancholisch verstaut. Könnte ich diesen Kopf doch immer bei mir tragen! Vielleicht verkleinert?
Rätsel
    »Was soll ich nur machen«, nuschelt sich Pratz beim Rasieren zu, »die Welt zeigt sich mit jedem Tag ordentlich überraschend, aber wenn ich daraus überraschende Gedanken machen will, sehen mich aus allen Ecken meine längst gedachten Gedanken an, als sollte sich das Neue bloß hinter den alten Erkenntnissen stapeln.«
    Wie kann dem Mann geholfen werden?
Rätsel
    Wie heißt der Vogel, der aus seinem Winterquartier in Neuseeland zu seinem Brutplatz in Alaska durchstartet?
Rätsel
    Eine Person, vermutlich wieder Pratz, bemerkt, wie schon kürzlich einmal an einem Mittwochabend: »Er freut sich nicht mehr mit beschleunigtem Herzschlag! Was man ihm auch schenkt, er denkt: Wie hübsch, wie nett, wie aufmerksam! Sein Gefühl bleibt höflich.«
    Wie lautet die Auflösung?
Katja verliert die Geduld
    Berlin. Die Studentin Katja, heute weißblond, hat drei Tage lang versucht, als lebensgroße Orchidee im Treppenhaus den Biologiestudenten, der sich ihr widersetzt, doch noch zu verführen. Er nimmt sie nicht wahr, grüßt zerstreut, ist mit dem kleinen Nachwuchs beschäftigt. Dabei hat sie ihm vom

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