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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Fenster aus aufgelauert und dann ihren Posten bezogen. Aus ihren sekundären Geschlechtsmerkmalen macht sie keinen Hehl. Heute stutzt der Biologe zum ersten Mal: »Kuck mal, das Ding in der Ecke, ganz kunterbunt«, sagt er zu seinem noch unverständigen Kind.
    Das reicht Katja. »Was ist los mit Ihnen? Mann, sind Sie schwul?« Sie faucht es so böse, daß die oder der Kleine weint. »Brauchen Sie Hilfe?« fragt kühl der Student und geht vorbei.
    Katja lacht insgeheim. Jetzt hat sie einen Fuß in der Tür: Krieg!
Das doppelte t
    Das Kind Ilse liebt vier Dinge: die Mutter, die Butter, den Gott, den Mond.
    Paßt denn der Mond in die Reihe? Ja, aber nur auf einem Umweg. Die Großmutter hat ihr von den Fässern erzählt, aus denen zu ihrer Zeit die Butter lose verkauft wurde. Golden und rund wie Mutter und Gott lachte die Butter vollmondgleich.
Überraschungsbesuch
    Bad Driburg. Ein Mann, der erfolgreiche Schriftsteller Egon Pratz, hatte lange Zeit seine Mutter nicht besucht. Am 17. Dezember fiel ihm ein: Sie müßte heute ja 92 werden! Also auf nach Bad Driburg, Driburg, eine Stadt, in der man überall mit dem Kopf anstößt. Er kaufte einen großen Rosenstrauß und klingelte an ihrer Tür. »Mutter, zum 92. Geburtstag!« rief er herzlich. Der Strauß verdeckte die kleine Frau. Sie sagte mit fester Stimme: »Ich habe heute nicht Geburtstag, lieber Mann, und ich bin nicht Ihre Mutter. Mein guter Sohn lebt schon lange nicht mehr. Außerdem bin ich sicher längst 100.«
    Hinter dem Strauß erkannte Pratz seine Mutter haarscharf, sie jedoch erkannte ihn nicht, ließ sich auch nicht die Knöchelchen der Hände küssen. Kein Zureden half. Da weinte er an ihrem Küchentisch bitterlich, benutzte auch dieses Wort für sich: »bitterlich«.
Elsa in der Badewanne
    Noch eben hatte sie von den harten, teilweise trostlosen Schicksalen ihrer Patienten gehört, mitfühlend, wie es ihre Art ist. Jetzt lag die Krankentherapeutin mi einer Illustrierten in der Badewanne. Die Rückenbürste schaukelte zwischen ihren Unterschenkeln. Nach den kummervollen Einkrümmungen dehnte sich Elsa wohlig aus. Ihr Blick fiel auf eine Kühlschrankreklame. So sah man in ihrer Kindheit Querschnitte von Pariser Wohnhäusern, vom Keller bis zur Mansarde, deutlich abgestuft bevölkert von Leuten verschiedenen Standes. Nun handelte es sich um andere, sorgsam gestapelte Einwohner, die sie durch die weit geöffnete Tür des Kühlschranks zur Kenntnis nahm: Gemüse im Souterrain, dann Wurst als Concierge, Käse in der Bel Etage, darüber die bürgerliche Marmeladenfamilie, Wasserflaschen schliefen beengt in der Dienstbotenstube, ganz oben in der Poetenkammer kleine Gläser mit Chutney vielleicht. Waskonnte heilender sein, als die wohlgefüllten Fächer anzusehen und daneben zu lesen »Bio Fresh und No Frost cool kombiniert«, vom Badewasser heiß umplätschert?
Alex, der Kleinunternehmer
    Er hat inzwischen die Security-Jacke an den Nagel gehängt. Jetzt steht er als Zeitungsverkäufer mit breitgefächertem Angebot im zugigen S-Bahnhof Rennerstraße, von 7.00–8.30 Uhr. Danach läuft hier nichts mehr, dann wechselt er zu anderen Stellen. Alte Bekannte von der Reeperbahn stützen ihn, je nach Stadtteil, durch Käufe. Alex hat sich aufgerappelt in die Selbständigkeit und ist fröhlich dabei. Nur die, die vorbeigehen, ohne zu grüßen, »die tun mir weh, das tut weh. Bin ich niemand? Sehen die mich nicht? Dabei rufe ich doch schon von weitem: ›Guten Tag, guten Morgen.‹ Dann kneifen die extra die Lippen zusammen: Was will der von mir? Ich lache bloß und wette mit mir, ob ich sie kleinkriege für ein Grüßen oder für BILD. Früher war ich mal Gemüseverkäufer. Da kamen die Schlaumeier an den Stand, sagten: ›Thymian‹, sonst nichts. ›Was, Thymian?‹ habe ich dann gefragt. ›Was ist damit, mit Thymian?‹
    So nämlich kriegt man mich nicht klein.«
Das Zucken der Amerikaner
    Sie habe, schreibt Eva aus Amerika an ihre Eltern, gestern einem Mann in der U-Bahn gegenübergesessen, der immer gezuckt habe, im Gesicht und mit den Händen. Zuerst habe sie gedacht, er wolle sie auf etwas aufmerksam oder sich über sie lustig machen. Dann sei ihr der Mann daneben aufgefallen, der in die Tüte auf seinem Schoß gelacht, richtig laut gelacht, dann fieberhaft in seiner Hemdentasche gekramt habe, dann wieder das Lachen, dann das Kramen. Sie habe daraufhin andere Leute angesehen, um Verbündete zu finden. Aber die hätten alle ebenfalls solche Ticks gehabt, gezuckt,

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