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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Frauenarzt Herzer, aus der Praxis anrief, ihr Chef könne vielleicht nicht teilnehmen, fiel überhaupt nicht ins Gewicht. Sabine hörte zerstreut hin und sagte ins Telefon: »Gut!« »Schön!« Es interessierte sie bei diesem Austausch von Botschaften nur eine einzige.
    Und so ging es weiter, noch als es an der Tür mit dem Läuten anfing. Sofort, bevor ich einen der Gäste zu Gesicht gekriegt hatte, kam die Frage:
    »Ist Scheffer da?«
    »Kommt Hans?«
    »Wie sieht’s aus?«
    »Was macht unser Sorgenkind?«
    Später erfuhr ich, daß Herr Hans stets entweder als erster oder als letzter auftritt.
    Bei der Begrüßung flüsterte Frau Herzer nicht allzu leise Sabine ins Ohr: »Detlef ist völlig erledigt.« Warum blieb er dann nicht zuhause? Ich hatte mich sowieso gefragt, was diese Fremden bei uns wollten und was Sabine, wenn sie sich mit ihnen traf, umgekehrt von ihnen erwartete.
    Als Hans, ein kompakter Mann mit mächtigem Kopf, lächelnd in der Tür stand, da wußte ich es.
    Bis in mein Eckchen rein spürte ich es. Alles begann zu lächeln im Widerschein, beruhigt und frisch, niemand konnte es unterdrücken. Und das bloß, weil ihr Herr Hans nun endlich gekommen war. Auch wenn Jeanette und Iris absichtlich, wohl um einen Scherz zu machen, wild in ihren Taschen kramten und nicht aufsahen.
    Seine Verbeugung, wie galant, noch von der Tür aus, bevor er ihnen einzeln die Hand gab, aus den Hüften heraus: Ach, ichhätte es am liebsten fünfmal hintereinander gesehen. Aber Frau Steinert und Frau Herzer, die störte er nicht beim Wühlen in den Taschen. Als sie hochkuckten, war es zu spät. Er winkte ihnen freundlich zu, grüßte bloß andeutungsweise in ihre Richtung. Seine Hand kriegten sie nicht mehr zu fassen. Ein so aufmerksamer Herr war und ist unser Hans Scheffer! Alle bewundern ihn, trotzdem trumpft er nicht auf. Manchmal macht er sich beinahe unsichtbar.
    Die Frauen hatten alle rote Wangen. Aber, wie eigenartig, das war schon so, bevor Herr Scheffer eintrat. Sie kamen bereits mit hochroten Bäckchen an. Selbst meine Sabine machte da keine Ausnahme. Sie zauberte sich im letzten Moment richtige Schwindsuchtrosen zu beiden Seiten der Nase ins Gesicht. Es war ein komischer Wettstreit unter ihnen.
    Im Laufe des Abends lobte Herr Scheffer zweimal den schönen, erregten Wangenton der Frauen. Sie wußten natürlich längst, wie sehr er ihm gefiel. Hans freute sich wohlweislich am blühenden Teint der Ehefrauen und Freundinnen: Es war ein verdienter Beifall, persönlich für ihn, gerade weil es sich größtenteils um Schminke handelte. Und die anderen Männer? Jetzt, nach all der Zeit, glaube ich, sie wären gekränkt gewesen, wenn Hans ihr jeweiliges weibliches Mitbringsel verschmäht hätte bei seiner Tändelei. Vielleicht ahnten sie nicht, wie sehr die Frauen sie, die Ehemänner, einfach vergaßen. Mein sechster Sinn, aus meiner stillen Ecke heraus, hat mich, wie sich noch zeigte, nicht getrogen.
    Was für ein eindrucksvoller, eindrucksvoll gefurchter Mann! Ich begreife es bis heute nicht: Gerade die schuljungenhafte Schmalheit der Hüften an diesem wuchtigen Menschen erzeugte sofort Zuneigung.
    Sogar der müde Frauenarzt Herzer legte einmal zwischendurch seine Hand auf den Lockenkopf von Hans. Nur sehr kurz, eine Liebkosung, mit der er, der erschöpfte Arzt, sich Trost holte. Daswar vielleicht die schönste Huldigung an diesem Abend. Die zweitschönste ging an den Mond, der uns so nahe war. Die drittschönste ging an mich, von Hans erbracht.
    Auch daß ich in diesen Ordnungen denke, liegt an ihm. Wir haben es uns von ihm angewöhnt. Er wollte immer den Rang festsetzen, alles sollte Wettstreit sein. Nur dann machte es ihm Spaß. Er mußte seine Zensuren und Punkte vergeben, damit Konkurrenz herrschte und Olympiade und spielerischer Kampf im Kleinen.
    Erst im Fortgehen sprach er sie aus, die dritte Huldigung, und ich zitterte in meiner Ecke vor Freude und Gefühl.
    Nach dem Essen, bei dem er zulangte wie ein hungriger Halbwüchsiger, aber ganz unvermittelt aufhörte und zu nichts mehr zu bewegen war, ich vermute, weil ihn der begeisterte mütterliche Blick der Frauen zu stören anfing, begannen sie ein Würfelspiel. Der einzige, der es wirklich mit echtem Eifer betrieb, war er. Die anderen taten es vielleicht nur ihm zuliebe, um sich an ihm zu ergötzen, auch um sich vielleicht noch einmal wieder so ernstlich freuen zu können wie er, wie als Kind. Er siegte meist. Den großen Kopf beugte er über die Tischplatte und

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