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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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glänzte nach dem Schütteln und schwungvollen Aufsetzen die glückbringenden Würfel an, wenn er den Lederbecher hob. Für ihn waren sie ein günstiges Zeichen des Schicksals, persönlich und unmittelbar an ihn gerichtet. Er vergaß die Umgebung oder sogar die Welt darüber, sah mitten in das liebe Gesicht seiner Kindheit und versank darin.
    Früher ist er sicher Meßdiener gewesen. Aber ich traute mich bisher nicht, ihn zu fragen. Er kann ja, wenn man ihn unwillkommen unterbricht, furchtbar finster werden. Rasend schnell zieht das auf. Man hört schon das Grollen im voraus und fürchtet sich, genießt jedoch auch das Schauspiel, wenn man ungeschoren abseits sitzt wie bei Gewitter in den Bergen hinter Fensterscheiben.
    Was ist damals bloß in mich gefahren, daß ich gleich am ersten Abend frech von Herrn Holterhoffs Namensliste erzählte? Währenddessen schabte die fast ein bißchen dicke Magdalena Zock, die viel stämmiger ist als meine melancholische Sabine, ein paarmal mit ihren Brüsten sehr nahe an unserm Herrn Hans vorbei. Ihr Mann, ein sehr ritterlicher Herr trotz seiner Dürre, »Ritter Zock, ehrbar und ehrenfest«, hat Hans gern gesagt, besitzt einen überall bekannten Baumarkt mit Gartencenter. Von ihren vier Kindern hatte sie sicherheitshalber das Kleinste mitgebracht und bei uns, es gibt immer wieder solche Frauen, das haushälterische Regiment für den Abend ohne Gegenwehr Sabines übernommen. Jawohl! Sie drängte ein paarmal mit ihren Brüsten sehr nah an Hans vorbei. Er ist Junggeselle, ein lediger Mann. Meine Holterhoff-Einmischung war gegen die Verabredung mit Sabine. Ich wollte ja stillbleiben in meinem Winkel. Nun war es aber rausgeplatzt aus mir. Und schon griff Herr Hans es auf, sah kurz, damals, vor einem Jahr, zu mir herüber und verlangte, man solle, wie der eigene Vorname es entschied, sich selbst und die anderen aufteilen nach Säuglingen und Greisen.
    Ich weiß sonst nichts mehr davon. Boris, Iris und Ilona waren jedenfalls bei den Zukünftigen, da gab es keinerlei Protest. »Hieße ich Johannes«, meinte Hans schmunzelnd, »wäre ich jung wie die Gegenwart. Als Hans bin ich es nicht. Aber auch du, Wilhelm, hast schlechte Karten. Hans und Wilhelm! Wir beide sind im Grunde schon ausgestorben.« Lediglich er und der Metzger Hehe duzten sich. Obschon gerade die netten, aufgeregten Frauen an den folgenden Abenden mehrmals getrennt einen Vorstoß auf ein »Du« hin unternahmen, ist es doch immer beim »Sie« geblieben. Hans wollte es so. Mir gefiel das über die Maßen. Sie »versprachen« sich zu vorgerückter Stunde um die Wette, und besonders die grün schillernde Galeristin Steinert schleuste sicher fünfmal ein »Du« ein. Manchmal habe ich das Gefühl, sie würde, um uns zu bezirzen, mit einem ausländischen Akzent reden,dabei liegt es in Wirklichkeit nur am Silberblick. Bei Hans verfing das nicht in diesem Fall, er blieb hart.
    Hier aber, wo ich in seinem eiszeitlichen Reich aus Moor und Dünen herumgehe, ist jetzt das Licht das Allerschönste. Es wird von Ding zu Ding weitergereicht, von den Baumstämmen und dem Gras unter Rauhreif in den Sümpfen. Es kann alle Gestalten annehmen, auch in den Schattengebieten, wo es sich verbirgt. Der Waldboden ist das Geheimnisvollste, denn wo beginnt er über der Erde mit seinen obersten Bestandteilen, wo endet er in ihr mit den Wurzelausläufern? Auf den Wiesen stehen die Pferde zwischen blendender Bleichwäsche. Das denkt man zuerst, es sind aber die gefrorenen Pfützen in der Sonne, und wenn sie auftaucht mit ihrem Licht, denkt man es immer wieder im ersten Moment. Ab und zu gehen Leute neben Tieren, die gebrechlich geworden sind, die alten Wege ab.
    Damals, nach dem Kennenlernen, war ich oft erschrocken, wenn hinten, wo die Wegränder zusammenlaufen im Dunst, ein Mann auftauchte. Ob das wohl Herr Scheffer selbst sein konnte? Herr Scheffer, der hier herumging, um nach den Widersetzlichkeiten der angrenzenden Bauern zu sehen, die weiterhin, sagte er, ihre Entwässerungsgräben verlangen. »Aber diesmal haben wir die Politiker auf unserer Seite.«
    Ich bekam Herzklopfen beim Näherkommen. Immer umsonst, immer für die falsche Figur. Er war es nie. Ich lachte dann vor mich hin. Denn mein Herz schlug manchmal sogar irrtümlich schneller aus der Ferne für den steifen Fotografen Finnland, der hier an den Wochenenden nicht nur wegen der Motive für seine Fotos herumlungerte, sondern mehr noch, um ganz zufällig Herrn Hans zu treffen. Und es klopfte auch,

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