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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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nur durch Augentäuschung und Verwechslung, für den guten Nachbarn Holterhoff! Nicht schlimm. Er hat nur nach seinen Kiebitzen und den feindlichen Krähen Ausschau gehalten und nichts pochen gehört.
    Mein eigener Vorname ist ja Luise. Wer weiß das schon.
    »Der Verfall der Städte hat eingesetzt«, sagt Holterhoff gern, »unberührt davon blinken nagelneue Bürohäuser. Man läßt Warenhäuser leerstehen, für deren Bau man zwei Jahrzehnte oder zwei Jahre vorher Teile der Altstädte liquidiert hat. Gesetze darf man ändern, gewisse Verträge offenbar nicht. Ob aus Ratlosigkeit oder Schläue, das wissen die Passanten nie. Fragen sie die dubiose Baubehörde unserer Stadt. Die Passanten sehen nur die zugeklebten Schaufensterreihen und reißen Schlitze zum Hindurchsehen ins Papier. Da ist aber nichts, nur leere Schachtelräume hinter den Scheiben. Ein vergessener Eimer, eine umgefallene Flasche Bier. Spätabends bringen Vorübergehende das Glas zum Splittern, bloß, um einmal lachen zu können.« Dann späht er wieder durch sein Fernglas, atmet tief den Geruch nach Sand und Kiefern ein, und ich sehe, wie glücklich er in Wahrheit ist. Er ist ja hier draußen.
    Hans kennt ihn, kannte ihn wohl schon damals, als ich die Kuriosität mit den Namen vortrug. Er sagt über ihn: »Ein braver Kerl, der Herr Holterhoff, sehr brav!« Wie lobt er Herrn Holterhoff von Angesicht zu Angesicht? So: »Wenn ich Sie nicht hätte, Holterhoff!« Holterhoff hat es mir erzählt. Es haben sich inzwischen genug Kiebitze angesiedelt, um gemeinsam räuberische Krähen von ihrer Brut zu vertreiben. Holterhoff, der die Kiebitze »Taschentücher« nennt wegen ihres komischen Fluges: »Hoffentlich ist es im kommenden Frühjahr nicht anders und schon wieder vorbei damit.«
    Auch er weiß vielleicht nicht, daß ich Luise heiße. Und nicht mal Sabine müßte es unbedingt wissen. Sie sagt ja: »Mutter«. Gehöre ich nun zu den Greisen oder zu den Säuglingen? Meinem sechsten Sinn nach zu beiden.
    Das Hauptspiel an diesem ersten Abend konnte ich nicht verstehen, ich war wohl mittendrin in meinem etwas dämmrigen Eckchen kurz eingeschlafen. Der Wein, von Ehepaar Zock gestiftet, schmeckte mir zu gut. Als ich die Augen wieder öffnete wegendes Gelächters, trug der Fotograf gerade sehr verlegen einen gekochten Fisch, der übriggeblieben war, aus der Küche einmal rund um den Tisch. Daraufhin stand der Frauenarzt auf. Er atmete heftig, hob Krüge vom Kaminsims und fuhr sich pfeifend, aber heimlich wohl ein bißchen wütend, mit den Handflächen am Jackett entlang. »Was ist das denn, um Gottes willen!« rief Jeanette, seine Frau. Sie schluchzte vor Freude, Freude mit einem Beigeschmack, ihren müden Mann jetzt, ob er wollte oder nicht, so lustig zu sehen. Dann ging Iris mit dem Silberblick, nachdem sie ein bißchen gekreischt hatte, vor uns auf und ab, wie von Gott und der Welt verlassen, immer verlassener, verzweifelter ging sie, weil die anderen einfach nicht erraten konnten, was sie darstellen wollte, trotz der gerungenen Hände, trotz erbärmlich hängender Schultern. Sie kicherte ja auch immer zwischendurch wirklich unpassend zu dem Bild, das sie präsentieren mußte, und schämte sich dann deshalb ganz reizend. Das half aber nichts. Ich glaube, ein Filmtitel sollte erkannt werden. Es war ein Spiel in zwei Mannschaften. »Neugeborene« gegen »Greise«?
    Alle kamen an die Reihe, ich natürlich nicht in meinem bequemen Erker. Ich hatte es gut. Aber was für eine Rolle mußte Herr Hans schauspielern? Unbegreiflich, ich erinnere mich nicht mehr. Jemanden mit einer Tarnkappe? Dann ist es ihm wohl gelungen. Sie lachten teilweise wie wahnsinnig, der Fleischer, der Frauenarzt, die kleine Ilona, der blutjunge Boris Bäder, sie alle. Hans nicht, er lächelte nur in das Rumoren hinein, er amüsierte sich, ich mich auch. Es war sehr heiß im Wohnzimmer. Ein Glas zerbrach. Die Katze kratzte, als er versuchte, sie von seinem Stuhl zu kippen, Herrn Hans die Unterarme auf. Ilona verarztete ihn, so zärtlich sie nur konnte. »Seien Sie nicht zimperlich!« sagte sie. Hans sah Ilona an, als wollte er sie zur Strafe ganz wild auf den Mund küssen. Die anderen Frauen, so kam es mir in meinem Winkel vor, hielten solange den Atem an. Hehe verschluckte sich stark, fast unheimlich. Das machte er später nochoft, wenn er von ganzem Herzen lachte. Ach ja, anschließend die Sache mit dem Kind.
    Hans war eine Weile verschwunden gewesen. Sie bemerkten es alle, vermißten ihn auf

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