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Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Stelle.
    Als alle fort waren und wir beide, Sabine und ich, noch einmal vergeblich nach dem erdnahen Vollmond Ausschau hielten, antwortete sie auf meine Frage nach der Musik, bei der sie etwas zusammenzuckte: »Das Duettchen stammt aus einer italienischen Oper. Es heißt ungefähr: ›Wenn ich Dir teuer bin‹, oder auch: ›… lieb bin‹, oder einfach: ›Wenn Du mich liebst‹.«
    Es war ein Zittern in mir entstanden, und in dieser Nacht hatten die stockfinsteren, bodenlosen Räume, die man nur durch die Elektrizität in den Lampen besiegt, keine Macht über mich.
    Jetzt schnell nach Hause. Das Licht zieht sich in Schüben, man kann ihm dabei zusehen, eilig von allem, was steht und liegt, zurück. Ich will außerdem meinen Rucksack mit dem Schatz darinnen, den ich wieder einmal durch die Gegend getragen habe, an seinen Platz stellen.
2. Wanderung
    Auch heute sage ich mir: Die Jäger? Der Metzger? Das Mädchen? Es geht mir im Kopf herum, als hätte man mir die Karten gelegt.
    Sabine hegt vor mir weniger Geheimnisse, als sie ahnt. Schon vor Monaten, als sie so eifrig über Rattenskelette und verbotene Bauerngülle sprach, über lästige, standortfremde Birkenschößlingeund Rodungsvorhaben, die für selten gewordene Tiere und Pflanzen zusammenhängende Flächen schaffen sollen: alles Wörter, die man früher nie von ihr hörte.
    Jetzt aber, gerade jetzt müßte sie Hans beweisen, daß sein altes Reich und Werk noch immer ein Wunder ist. Selbst heute, wo kleine Flocken wider Erwarten waagerecht durch die Luft stöbern. Trotzdem bricht ab und zu die Sonne aus den Wolken wie wild. Das Wetter wechselt von Tag zu Tag, stürmisch macht die Landschaft mit, die Jahreszeiten springen hin und her zwischen Licht und Schatten. Wer könnte uns das zerstören? Darf ein Oberkellner oder Oberbürgermeister oder Oberförster uns das rauben mit seinem wöchentlichen Vorrücken gegen uns?
    Ich bin dem guten Holterhoff eben absichtlich ausgewichen, weil er bei Witterungen wie dieser so verbittert ist. Selbst innerlich kann man doch nicht für jeden Schrecken der Erde geradestehen. Er weiß das selbst. Aber bei kaltem Wind, erst recht bei Schneegestöber, da weiß er es nicht. Also wird heute ein Bogen um ihn gemacht. Ich könnte ihn ja nicht mal mit seinen Kiebitzen ablenken, sondern nur sagen. »Da, Ihre Krähen!« und das wäre bereits Wasser auf seine Mühlen.
    Damals wunderte ich mich, wie schnell die Verabredung für das nächste Treffen folgte. Auf Bitte und Anordnung von Hans fand es wegen der Nähe unseres Hauses zu der Landschaft, die nach seinem Plan weiterhin gedieh, wieder im Tristanweg statt. Für die Verpflegung sorgte mehr als alle anderen die reiche und kinderreiche Magdalena Zock. Ich kannte das ja schon: Sabines Nervosität, die Telefonate:
    »Doch nicht?«
    »Vielleicht doch noch?«
    Eine Neuigkeit an mir selbst aber verblüffte mich. Ich war nicht weniger aufgeregt als Hehe, Iris, Jeanette, Finnland usw. Und ich erkannte, daß die Spannung, ob Hans kommen würde, etwas Angenehmes, etwas Schlaues, ja klug Angezetteltes war.
    Diesmal traf er als erster ein. Seine Stimme hörte ich schon ein Weilchen draußen. Als ich ihn endlich im Zimmer stehen sah, die Gestalt, athletisch, mir freundlich zugewandt, etwas breitbeinig, mit den Händen in den Hosentaschen, da hätte diesen Mann nichts umstoßen können. Ich nahm mir vor, mich am Schluß zu erkundigen, ob er die Musik mitgebracht hätte. Aber während ich es mir noch ausdachte, hatte mein Mund schon angefangen zu fragen.
    Herr Hans schüttelte den Kopf, wieder mit dem netten Einkerben der Mundwinkel wie bei einem noch rundlichen Kind, das fest entschlossen ist, Kaiser zu werden: »Das wohl nicht, Frau Wäns.« Die Nähe seines mächtigen, warmen Körpers überströmte mich, verformte mich beinahe. Ich sehe nicht besonders gut, erwittere allerdings wie die Reptilien sofort eine Wärmequelle, so daß ich die Augen schloß und vielleicht einen kleinen Teich vor mir sah wie diesen hier, bei dem das Wasser über der abgesunkenen Eisdecke steht. »Aber ich will mir sehr wohl merken, daß Sie sich daran erinnern. Diese Freude habe ich selten.«
    Ob er so etwas wirklich glaubte? Bestimmt war das Duett allen, nicht nur mir, unvergeßlich geblieben. Anders kann es nicht sein. Gedämpft gefiel mir seine Stimme sehr, sie tat es aber auch, wenn er schimpfte. Sein Zorn war schrecklich, purpurn schon beim stummen Stirnrunzeln, aber immer nur kurz. Später habe ich gesehen, daß er

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