Gewäsch und Gewimmel - Roman
Schlachter riß die anderen gewaltsam in sein Gelächter hinein. So schön war unsere Stimmung damals.
Mir fällt dann noch ein, was die Galeristin erzählte. Sie habe vor Jahren mit einem Mann auf Felsen an einem italienischen Meeresstrand gelegen. Ein merkwürdiger Mensch, sie wisse gar nicht mehr, wie sie an den geraten sei. Er habe behauptet, sein unerfüllbarer Traum sei eigentlich, ein Schwarzer zu sein, der sich von einer Erotikagentur an sehnsüchtige Damen in guten Vierteln vermieten lasse. Die Frauen aber dürften bei der Bestellung nicht wissen, daß ein echter »Neger« ins Haus komme. Ja, und dann das Erschrecken in ihren Augen beim Öffnen der Tür! Und wie er, noch auf der Schwelle stehend, in ihren Augen, das sei ihm mehr wert als die Bezahlung, den Umschwung lesen würde, vom Ablehnen zur Vorahnung der doppelt unkeuschen Lust, sich einem Pechschwarzen hinzugeben. Später hätten sie mit der Uhr gemessen, wie lange die Sonne brauchte vom ersten Berühren des Wasserspiegels bis zum völligen Verschwinden. Der Mann, ein Schweizer, habe nun seinen Ehrgeiz darin gesehen, am nächsten Tag »das Vögeln«, so sagte sie beim Aufessen der flambierten Früchte, »punktgenau mit der Sonne zu beenden«. Wie dachte ich da sofort an Rotkehlchen und Dompfaff, die an Frau Zocks alkoholisierten Pfirsichspalten pickten! Es habe zum Schrecken des Schweizers auf eine unerwartete Weise geklappt. Gerade in diesem Moment sei nämlich außerdem einenMeter von ihnen entfernt ein kindskopfgroßer Stein oben aus den Felsen neben ihnen aufgeprallt und dann mit der Sonne ins Meer gesunken. »Mörderisch!« habe er ständig gerufen. Nach dem ersten Schock immer begeisterter, weil er den Vorfall offenbar seinen männlichen Kräften zugeschrieben habe. Schon am folgenden, regnerischen Tag sei ihm, ohne Sonnenuntergang und Steinschlag, jede Liebeslust vergangen. »Aus! Finito per sempre!«
»Endlich eine Art Anekdote«, lobte Hans und fragte Bäder, was er dazu meine. In diesem Moment aber sah ich Sabines stets etwas wehes Gesicht, hier, an diesem Tisch, und gleichzeitig ihr wutverzerrtes, als sie vor zehn Jahren am Spülstein gestanden und schluchzend, mit dem Messer in der Hand geschrien hatte: »Ich wünsche ihr den Tod!« Damit meinte das liebe Kind die römische Freundin ihres Sohnes, unseres Mirko, oder besser: die ehemalige, das war’s ja, die ehemalige! Das Mädchen hieß Tonia und der Junge Mirko. Deshalb nannten sich die beiden Kinder, als es mit ihrer Liebe noch gutging, gemeinsam »Mito«, ein italienisches Wort. Es bedeutet »Mythos«.
Weil ich bei diesem Thema auf Sabine wegen der Vergangenheit aufpassen mußte, hörte ich von demjenigen, der mich am meisten interessierte, von meinem Herrn Hans nämlich, nur den Satz: »Ich als Lebemann weiß nicht, wo ich mit dem Berichten und Flunkern anfangen soll.« Das gefiel allen. Sabine hielt sich wider Erwarten ausgezeichnet. Die Gefahr war vorüber, ich saß in meinem dämmrigen Sessel und unser Haus Tristanweg 8 beschützte uns.
Bis dahin und noch ein Weilchen weiter ist es nämlich ein sehr fröhlicher Abend gewesen.
Herr Herzer, der, sicher aus Müdigkeit, noch stumm geblieben war, sagte nun, seine einzige große Liebe sei seine Frau Jeanette, und da würde der Kavalier eben genießen und schweigen. Aber etwas Kurioses könne er doch beisteuern. Er hielt uns daraufhin zu unserer Überraschung einen regelrechten Vortrag über einenLuftkurort in den Schweizer Bergen, wo man, laut Beschluß einer Strategiesitzung aller führenden Köpfe der Gemeinde, einen gewissen Dr. Schutzbach als Lachexperten unter Vertrag genommen habe, der durch einen Stab von Lachinstrukteuren wetterfeste Lachinvestitionen einrichten wolle. Ich habe nicht alles behalten, aber auf kleinen Bühnen sollten Touristen lachen und dafür Kaffee und Kuchen umsonst bekommen, zu den Springbrunnen im Ort solle Gelächter ertönen, in den Wartezimmern der Ärzte, in Post und Supermarkt solle man auf großen Bildschirmen lachende Gemeinderatsmitglieder sehen, Lachliegestühle würden beim Hineinlegen anfangen zu kichern. Warteschleifen am Telefon wolle man mit Gackern und Gelächter in sämtlichen Tonlagen füllen, und die Leute vom Bauamt, im Tourismusbüro, bei den Bergbahnen zu Laien-Lachinstrukteuren schulen. Für dreißig Sekunden Lachen in einen Automaten dürfe man dreißig Minuten umsonst parken. Da Lachen gesund mache, seien für diese Hölle bereits 150 000 Euro bewilligt. Die Bevölkerung habe
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