Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewäsch und Gewimmel - Roman

Gewäsch und Gewimmel - Roman

Titel: Gewäsch und Gewimmel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
sich gelegentlich dicht neben die Frauen stellte. Dabei fiel mir etwas Eigentümliches auf: Sobald sie ihm ihr verändertes, nachgiebiges Gesicht zuwandten, zog er sich zurück. Er hatte nur etwas ausprobiert und verfolgte es dann nicht weiter.
    Man merkte Hans seinen Ärger an, wenn der Frauenarzt Herzer, der oft nach anstrengender Praxisarbeit nicht pünktlich eintraf, dann eine Weile stumm vor sich hinstarrte und sich nicht schnell genug der Leichtigkeit unserer Treffen anglich. Herr Hans warsich dieses einen Mannes, denke ich mir, nicht ganz sicher. Kam Herzer vielleicht nur wegen seiner Frau Jeanette her? Damals aber pries er, solange die Abwesenheit des Arztes dauerte, dessen Heldenhaftigkeit vor »Freund Hein und Feind Tod«, machte auch keinen Hehl aus seiner Bewunderung dafür, daß der Tapfere, der den von seiner Diagnose am Boden zerstörten Frauen auf eine Weise beistehe, zu der er, Scheffer, diesen unverzichtbaren Wesen gegenüber niemals fähig sei, trotzdem unserer Runde prinzipiell mit Grazie, wenn auch einer wortkargen, beiwohne.
    Kaum war der erschöpfte Herzer eingetroffen, musterte Hans ihn dagegen argwöhnisch. Er überlegte wahrscheinlich, ob der Arzt sich nicht doch verstellte und die Schönheit unserer Abende gar nicht begriffe. Er lachte auch einmal lange in sich hinein, als Herzer, der ein Ratespiel einfach nicht verstehen wollte, statt dessen verdrossen bei mir am Fernsehapparat Platz nahm und dort dummerweise auf einen blondgelockten Komiker stieß, der sich an einem Haken in ein riesiges Senffaß tunken und wieder herausholen ließ. Und das, wie man sagte, vor Millionen sich totlachender Zuschauer aus allen sechzehn Bundesländern, gelb tropfend in der Luft mit Armen und Beinen rudernd.
    Beide, Herr Herzer und Herr Scheffer, meinten es aber gut miteinander, und das taten doch in Wirklichkeit alle hier.
    Nur hätte natürlich der iltisjunge Boris besser aufpassen und immer rechtzeitig zur Stelle sein müssen. In seinem Alter! Was sah er denn überhaupt als seinen Beruf an? Er half seiner Iris ein bißchen in der Galerie, vielleicht bloß beim Ausfüllen der Formulare, beim Auspacken der Bilder und beim Aufhängen. Das war schon alles, dafür mochte es reichen. Ich kriegte auch sehr wohl mit, wie er, als Hans ihn wegen der faulen Ausrede: »Die Arbeit, Herr Scheffer, die Arbeit!« grob verhöhnte, zu Boden sah und sich auf die Lippen biß, um nicht zu verraten, wie geschmeichelt er sich durch so viel Beachtung fühlte: Herr Scheffer persönlich vermißte ihn also, wenn er sich verspätete!
    Bäder gefiel mir wegen seiner sorglosen Jugend, auf die er selbst stolz war, und er verehrte Hans ja, obschon er sich mit seiner eleganten, fast schnöselhaften Kleidung von ihm absetzen wollte. Mochten die Frauen denn unseren Hans vom Hochmoor nicht auch deshalb, weil er immer einen fehlenden Knopf, ein Loch unterm Arm, einen Riß im Hemd, ja manchmal sogar einen nicht ganz geschlossenen Hosenschlitz hatte? Wie hübsch ist aber doch ebenfalls der wacklige Hochmut der Jugend.
    »Bäder, nehmen Sie sich ein Beispiel an Finnland! Der kommt immer auf die Minute und hat einen richtigen Beruf. Sie kriegen Punkte abgezogen, wenn sich Ihr Bummeln wiederholt«, sagte Herr Hans und zog den Mund schräg. Ihn ärgere, erzählte er Sabine, daß dieser kaum flügge gewordene Bursche, der sich bereits eine schillernde Iris angeschafft hatte, die man ihm als Geliebte, so Hans, wie seinen Bartflaum nicht recht glaube, die Rangfolgen nicht lupenrein beherrsche. Und hatte Herr Hans da nicht vollkommen recht? Nur bildete das Bürschchen sich natürlich ein, man würde ihn für unverzichtbar halten wegen des bezaubernd Blutjungen.
    Finnland wurde, ich konnte es aus meinem Winkel gut erkennen, etwas rot, als Hans ihn erwähnte. Er ist so ein anständiger Kerl! Fotografiert unser Naturschutzgebiet, schwarz-weiße Strukturen, um den Matsch seiner Baugrubenwelt zu vergessen. An diesem Abend hat er mit Hans im Flur gestanden, weil er direkt nach ihm eintraf. Ich hörte ihr Gespräch. Nichts als: »Vier zu drei«, »Null null«, »Zwei eins«. Dazwischen seufzten sie.
    So habe ich Herrn Hans erst vor wenigen Tagen an derselben Stelle seufzen und stöhnen gehört, wohl aus völlig anderem Grund, so daß mir fast das Herz brechen wollte. Aber damals, vor einem Jahr, da kam Herr Hans ja in bester Laune einen Moment extra zu mir und stand bei mir.
    Kapuze ab! Das Flockengestöber hat aufgehört. Das Schöne am Schnee? Er beweist

Weitere Kostenlose Bücher