Gewagt - Gewonnen
die Stimme zu erheben, und fuhr gelassen fort, die Wundränder zusammenzupressen und einen soliden Verband anzulegen.
„Wissen Sie was, Fräulein Astrid?“ sagte Harder. „Ich würde Sie gern einmal Menschen behandeln sehen. Ich glaube, Sie wären eine ideale Krankenpflegerin.“
„Wir können ja einen Versuch machen“, sagte Astrid lachend. „Sie brauchen nur für eine verletzte Pfote zu sorgen. Aber hoffentlich knurren und schnappen Sie nicht nach mir, wenn ich Sie in Behandlung nehme!“
Harder gab keine Antwort, sondern blickte sie nur unablässig an. Er war so still, daß es anfing, peinlich zu werden, und Astrid war daher froh, als das Dienstmädchen kam und meldete, es sei angerichtet.
Es war etwas Neues, mit Harder allein am runden großen Speisezimmertisch zu sitzen. Und etwas eigentümlich war diese Situation schließlich auch. Die Unterhaltung wollte gar nicht recht in Gang kommen. Da kam Harder auf den glücklichen Gedanken, Astrid von seiner Reise zu erzählen. Er war in England, Frankreich und der Schweiz gewesen. Dort hatte er auch die Armbanduhr gekauft. Als sie nach dem Essen vor dem Kamin saßen, zeigte er ihr Bilder und freute sich über das kindliche Interesse, das sie dafür bekundete.
„Hätten Sie wohl Lust, auch einmal eine solche Reise zu machen?“ fragte er.
Sie blickte ihn mit großen Augen an.
„Ob ich Lust dazu hätte? Der bloße Gedanke an ein solches Erlebnis macht mich schon beinahe krank. Aber ich werde brav bei meinen Hunden zu Hause bleiben müssen. Das Höchste, wozu ich es bringen werde, ist ein Trimmkursus für Fortgeschrittene in England. Es würde mir riesigen Spaß machen, einmal einen richtigen englischen ,Kennel’ kennenzulernen. Vielleicht wird doch eines Tages etwas daraus.“
„An einen Trimmkursus für Fortgeschrittene habe ich dabei nun wirklich nicht gedacht“, sagte Harder leise, und seine Stimme klang verschleiert. „Ich meine, Sie könnten wohl auch eine etwas spannendere Reise machen, die nicht Berufszwecken dient.“
„In der Hoffnung leben kann man ja. Das ist einem nicht verwehrt“, erwiderte Astrid, und diese leeren Worte blieben in der Luft hängen, denn es kamen keine neuen, um sie zu verdrängen.
Harder war still. Er saß in seinen Stuhl zurückgelehnt und betrachtete Astrid. Und ohne daß etwas gesagt wurde, spürte sie, daß sich etwas geändert hatte. Die Atmosphäre war plötzlich mit einer seltsamen Spannung geladen. Es lag etwas Neues, Unerklärliches in der Luft. -
Der Kaffee wurde hereingebracht, und Harder füllte die Likörgläser. Als sie die erste Tasse geleert hatten, erbot Astrid sich, Harder eine zweite Tasse einzuschenken. Er reichte ihr seine Tasse, und ihre Finger berührten sich unter der Untertasse.
Diese flüchtige Berührung genügte, um Harder des letzten Restes von Selbstbeherrschung zu berauben. Er stellte ruckartig seine Tasse auf den Tisch, ergriff Astrids Hand und drückte sie so kräftig, daß es ihr beinahe weh tat.
„Astrid…!“ Er stand auf, nahm ihre beiden Hände und preßte sie gegen seine Brust. „Astrid… glaubst du denn… ich hinaus Stein?“
Er zog sie von ihrem Stuhl hoch und legte den Arm um sie. „Astrid… ich muß es dir heute sagen – nein, sage du mir, daß du mich liebhast, Astrid, daß ich etwas für dich bedeute…“
„Seien Sie so gut…. mich… mich loszulassen…“
„Habe keine Angst, mein Kind! Nein, wie du zitterst. Du hast gar keinen Grund, Angst zu haben. – Ich will dir doch nichts zuleide tun… ich will dir doch nur Gutes tun… nichts als Gutes. Begreifst du es denn nicht, Astrid? – Ich allein weiß dich nach deinem wahren Wert zu schätzen… ich allein weiß, was für ein Kleinod du bist… Astrid, du bist noch jung, aber du bist doch schon erwachsen… du bist eine bezaubernde kleine Frau…“
Mit einem halberstickten Schrei versuchte Astrid, sich frei zu machen. Es gelang ihr nicht.
„Lassen Sie mich los! Lassen Sie mich doch los!“ Plötzlich begannen ihre Tränen zu strömen, und ihr ganzer Körper wurde von Schluchzen geschüttelt.
Da trat Harder einen Schritt zurück. Astrid sank auf einen Stuhl und schlug die Hände vor ihr Gesicht.
Eine Hand strich ihr über das Haar, leicht, behutsam. Und eine leise Stimme sprach:
„Habe keine Angst, Astrid. Es ist vorüber. Ich wollte dich doch nicht ängstigen. – Glaube mir, kleine Astrid, ich hatte nichts Böses mit dir im Sinn…“
Er kniete vor ihrem Stuhl und ergriff ihre Hände.
„Mein
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