Gewagtes Spiel der Leidenschaft
kommt jeder zu dieser Einsicht.“
Als es daran ging, seine Jeans aufzuknöpfen, zögerte er. Seit der Zeit auf dem College hatte er immer nur in Unterwäsche geschlafen. Gleich morgen früh musste er eine Schlafanzughose besorgen. Nein, besser gleich zwanzig. Oder dreißig, damit er garantiert nicht in die Verlegenheit kam, einmal ohne Hose dazustehen.
Er legte sich so an die Bettkante, dass seine linke Schulter im Freien hing, doch die unbequeme Haltung konnte ihn nicht davon ablenken, Wendys Duft wahrzunehmen, der sich in seinem Kissen hielt. Es war ein warmes, weibliches Aroma mit einem Hauch von Pfefferminz.
Nach einer Weile wurde ihm bewusst, dass er nicht als Einziger wach lag, und er begann zu überlegen, was er sagen sollte. „Ich wusste gar nicht, dass du auf die Teenage Mutant Ninja Turtles stehst.“
Wow, das war ja wirklich eine geniale Bemerkung, meldete sich eine zynische Stimme in seinem Kopf zu Wort.
Er hörte, dass sie sich zu ihm umdrehte. „Die mag doch jeder, oder nicht?“
Er drehte den Kopf zur Seite und schaute in der Dunkelheit in Peytons winziges Gesicht, das vielleicht zehn Zentimeter von seinem entfernt war. Sie hatte die Lippen geschürzt, und vermutlich träumte sie davon, wie sie gefüttert wurde. Er konnte sich daran erinnern, dass seine Nichte das auch gemacht hatte, damals, als er vor vielen, vielen Jahren seiner Schwester geholfen hatte, wenn ihre Kinder gefüttert werden mussten. Lacey musste inzwischen bereits aufs College gehen. Mit einem Mal verspürte er eine intensive Sehnsucht von der Art, die er üblicherweise irgendwo tief in seinem Inneren vergrub.
Eine andere Sehnsucht verstand er dagegen viel besser, weil er sie wahrnahm, wenn er Wendy ansah. Rein sexuelles Verlangen. Damit kannte er sich aus, und das hatte er auch unter Kontrolle – glaubte er zumindest. Bislang war er jedenfalls dazu in der Lage gewesen. Aber dieser plötzliche Wunsch, mit seiner Familie Kontakt aufzunehmen? Das war neu … und beängstigend.
Er legte sein Kissen doppelt, damit er über Peyton hinweg zu Wendy sehen konnte, die soeben das Nachtlicht eingeschaltet hatte, das sie aus dem Kinderzimmer mit herübergebracht hatte. Es handelte sich um eine Lampe in Form eines Nilpferds, die den Raum in einen schwachen rosafarbenen Schein tauchte, der Wendys Haut schimmern ließ. Als er ihr in die Augen sah, wich sie rasch seinem Blick aus, als würde sie das durch seine Adern pulsierende Verlangen nur zu deutlich wahrnehmen.
Da sie sich eben wieder hinlegen wollte, sagte er hastig: „Nein, die Teenage Mutant Ninja Turtles mag nicht jeder. Die meisten Leute haben nicht mal eine Ahnung davon, dass es sich dabei zuerst um einen intelligenten und subversiven Comic gehandelt hat. Die kennen nur die ziemlich alberne Kinderfilm-Version.“
Sie zuckte lächelnd mit den Schultern, allerdings konnte er nicht sagen, ob sie das Thema amüsant fand, oder ob sie froh darüber war, dass er sie nicht länger so ansah, als wollte er sie von Kopf bis Fuß mit Küssen übersäen.
„Passt zu mir“, erwiderte sie im gleichen Flüsterton wie er, da sie Peyton nicht aufwecken wollte. „Ein Fan von allem, was intelligent und subversiv ist.“
„Ja, das merke ich. Mich wundert nur, dass ich davon bislang nichts gewusst habe.“
„So?“
„Fünf Jahre lang hast du dich wie die vollkommene, unauffällige Chefassistentin gekleidet, und jetzt finde ich heraus, du magst lila Nagellack, Punkrock aus den Achtzigern und die Teenage Mutant Ninja Turtles.“
„Punkrock?“, wiederholte sie verwundert.
„Das Replacements-Shirt, das du neulich getragen hast.“
„Das hast du erkannt?“ Sie sah ihn forschend an. „Dabei würde ich nicht vermuten, dass du ein Fan der Alternative-Szene der Achtziger bist.“
„Ich bin ein Fan von Internetsuchmaschinen. Außerdem kannst du unmöglich alt genug gewesen sein, um das T-Shirt auf einem von deren Konzerten zu kaufen.“
„Ich bin ein Fan von Internetauktionen“, gab sie zurück. „Und ich mag es, den Erwartungen der Leute zu trotzen.“
„Was mich zu der Frage zurückbringt: Wieso habe ich bislang nichts davon gewusst?“
Wendy ließ den Kopf aufs Kissen sinken und starrte eine Weile an die Decke. Dann erwiderte sie: „Dass ich bei FMJ arbeite … ich glaube, das ist mein ultimativer Widerstand gegen meine Herkunft. Wenn man aus einer Familie stammt, die mit Erdöl ein Vermögen gemacht hat, dann kann es eigentlich nichts Schlimmeres geben, als für ein
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